Ich habe mir gestern den Wecker gestellt und stehe pünktlich um 6 Uhr auf. Ich möchte heute nämlich gerne bis zur Vuomahytta gehen und das sind ungefähr 34 Kilometer. Da ich abends nicht mehr so lange gehen kann, weil es inzwischen so früh dunkel wird, muss ich eben morgens wieder eher losgehen. Bald muss ich mich sowieso umgewöhnen und alles Tageslicht ausnutzen zum Laufen.
Als ich aus meinem Zimmer komme, sitzt schon ein älterer deutscher Mann am Tisch und frühstückt. Ich wollte eigentlich direkt los, muss aber noch bezahlen. Morten meinte gestern, dass um 6 Uhr die Hunde gefüttert werden und ich danach bezahlen könne. Ich hätte das gerne gestern direkt erledigt, aber jetzt muss ich halt warten. Nur, dass ich draußen noch niemanden sehe. Also koche ich mir einen Tee und quatsche noch ein bisschen. Der Mann war mit seiner Frau eine Woche wandern und jetzt sind sie noch ein paar Tage hier. Und er meint, dass die Hunde abends um 18 Uhr gefüttert werden, vielleicht war das ein Missverständnis. Ich warte noch bis 7 Uhr, dann gehe ich rüber zum Haupthaus und klopfe. Es scheint nicht zu früh zu sein, Morten macht mir die Tür auf. Für die Übernachtung muss ich gar nichts bezahlen, da ich Norge på langs laufe, nur 15 € für das Essen gestern. Das ist ja super! Sein Vater hat die Wanderung selber 2 mal gemacht, einmal im Sommer und einmal im Winter auf Skiern. Leider treffe ich Björn aber nicht an. Es wäre bestimmt spannend gewesen, mich mit ihm zu unterhalten.
Um 8 Uhr fängt das Hunde-Training an. Ab dem 1. September werden die Huskys auf die Wintersaison vorbereitet und jeden Tag 2 bis 4 Stunden lang trainiert. Solange noch kein Schnee liegt, ziehen die Gespanne schlittenartige Gefährte auf Rädern. Das hätte ich mir gerne angeschaut, habe aber keine Ruhe solange zu warten. Um Viertel nach 7 gehe ich los.
Zum Warmlaufen geht es erstmal knapp 5 Kilometer die Straße entlang. Bis zur großen Staumauer des riesigen Sees Altevatnet. Dort stehen gleich eine ganze Menge Wanderschilder. Ich gehe über die Gaskashytta zur Vuomahytta. Oder einfach soweit, wie ich komme. Wobei bei dem nassen Wetter eine Hütte schon schön wäre.
Hinter einem Parkplatz fängt dann der Wanderweg an. Ich gehe an der Altevasshytta vorbei. Eine der wenigen DNT-Hütten, wo man ein Bett reservieren muss und dann einen Code für das Türschloss bekommt. Mitten auf dem Pfad zur Hütte ist hier scheinbar das Holzlager. Wahrscheinlich konnte der Traktor nicht weiter fahren und hat die Holzscheite einfach hier abgeladen.
Immer den riesigen See im Blick, geht es die nächsten 5 Kilometer über eine große Ebene.
Erst ist der Pfad noch gut sichtbar, aber bald folgt ein Wirrwarr aus Quad-Spuren. Hier stehen ganz verstreut ein paar Hütten und scheinbar nutzen die Besitzer gerne den Wanderweg, bis sie dann zu ihrer Hütte abbiegen. Manchmal weiß ich nicht, welche der vielen Spuren ich nehmen soll, bis ich doch mal wieder ein Stück des schmalen Pfades entdecke oder eine seltene rote Markierung. Der Boden ist ziemlich nass, ich stapfe durch Sumpf und Schlamm. Zwischendurch gibt es aber immer wieder ein paar Holzplanken über die tiefsten Schlammlöcher. Und Brücken über die kleinen und größeren Bäche.
Heute muss ich irgendwie erstmal reinkommen ins Laufen. Ich stecke mir meine Ohrstöpsel in die Ohren und höre Musik. Nur so laut, dass ich noch alles um mich herum wahrnehme, aber ein bisschen Unterhaltung habe. Es wäre auch nicht schlecht, unterwegs mal wieder ein paar andere Wanderer zu treffen. September ist doch die Haupt-Wandersaison in Norwegen.
Über den Fluss Koievasselva gibt es auch eine Brücke. Und dann geht es am See entlang, um das Lifjellet herum. Zwischendurch regnet es immer wieder.
So langsam komme ich dann doch in meinen Trott und genieße den Weg, statt nur an mein Ziel für heute zu denken. Es geht oberhalb des Sees über sumpfige Wiesen und durch lichten Birkenwald. Über ganz viele Holzplanken, das ist super. Ein kleines Stück Wander-Autobahn, wo man schnell gehen kann. Wobei das Holz so nass auch stellenweise rutschig ist.
Ich gehe ein bisschen hoch, dann wieder runter, über bunte Böden und zwischen schon kahlen Bäumen her.
Bis ich die Gaskashytta erreiche. Etwa die Hälfte der Strecke zur Vuomahytta habe ich hinter mir. Es ist kurz vor 12 Uhr, die perfekte Zeit für eine Mittagspause. Und es fängt sowieso gerade stärker an zu regnen. Bisher hat es immer nur ein bisschen getröpfelt. Ich will nicht lange bleiben, also machen ich den Kamin auch gar nicht an. Meine Sachen sind ja eh schnell wieder nass, wenn ich weitergehe. Aber ich brate mir die Reste von gestern Abend in der Pfanne an. Das war so viel Reis, dass ich nicht alles geschafft habe.
Noch einen Kakao und dann bin ich bereit für den weiteren Weg. Ich fülle meine Flasche mit warmem Wasser auf, auch wenn das draußen schnell wieder abkühlt. Wenn es so kalt ist, trinke ich tagsüber echt wenig, deswegen muss ich jede Möglichkeit nutzen, wenn es warmes Wasser gibt. Ich versuche zumindest morgens und abends viel zu trinken, meistens Tee oder einfach so warmes Wasser.
Der Weg ist echt schön. Wäre nur das Wetter ein bisschen angenehmer. Die Kombination aus Regen und Wind macht es eisig und richtig ungemütlich. Aber trotzdem erfreue ich mich an der herbstlichen Landschaft.
Links von mir fließt die Fiskløyselva und es geht immer weiter hinauf. Bis ich ganz über der Baumgrenze bin.
Ganz hinten der Berg ist oben schon weiß gepudert.
Irgendwann wird es steiniger. Und windiger. Der Wind kommt jetzt direkt von vorne. Heute Abend habe ich mir die Pfannkuchen verdient. Die Fertigmischung schleppe ich ja schon seit Narvik mit. Ich denke an den warmen Kamin und leckere Pfannkuchen später in der Hütte. Das treibt mich an.
Dann wird es noch steiniger. Bis der Boden nur noch grau ist.
Ich habe den höchsten Punkt für heute erreicht. Die letzten 9 Kilometer bis zur Hütte geht es wieder runter. Aber der Wind lässt nicht nach. Warmer Kamin, leckere Pfannkuchen… Jetzt geht es quasi wieder rückwärts. Langsam werden es weniger Steine, über die ich gehe. Dafür mehr Gräser.
Die Schneegrenze liegt gar nicht mehr so viel höher. Der Berg direkt links von mir ist auch schon ganz weiß gesprenkelt.
Der Boden wird wieder nasser und ich gehe zwischen den Seen da unten her. Die Hütte ist auch schon in Sicht. Ganz hinten, hinter der letzten Flussbiegung, kann ich sie schemenhaft im Nebel erkennen. Vielleicht ist ja jemand da und hat schon den Kamin angemacht. Auf dem Weg betrete ich auch den Øvre Dividal Nasjonalpark, durch den ich die nächsten zwei Tage gehen werde.
Gegen 18 Uhr erreiche ich die Hütte. Sonst ist niemand da. Ich bin ganz froh, dass die vielen Kilometer mir dann doch so leicht gefallen sind. So lange Tage hatte ich ja jetzt lange nicht bei den ganzen weglosen Abschnitten. Ich schaue mich erstmal um und suche mir die Hütte mit den großen Panoramafenstern aus. Auch wenn ich draußen nicht so viel sehen kann bei den tief hängenden Wolken. Schade, das wäre ein toller Platz um Polarlichter aus dem Warmen zu beobachten. Die nächsten 3 Nächte besteht auch eine gute Chance, welche zu sehen, aber das wird wohl leider wieder nichts bei dem Wetter im Moment.
Ich habe noch zwei von meinen selbstgemachten Lieblingsgerichten mit Sauerkraut. Eins davon gibt es heute. Als Belohnung für die lange Strecke bei dem ungemütlichen Wetter. Letztes Jahr in Österreich waren meine Paprika-Tomaten-Nudeln mein Favorit. Da hatte ich auch noch nicht entdeckt, wie einfach man Sauerkraut dörren kann. Zum Nachtisch mache ich die Pfannkuchen. Sogar etwas Zimt und Zucker hatte ich mir abgefüllt. Da die Tüte gerissen ist, mache ich gleich die ganze Familienpackung Pfannkuchen und nehme den Rest dann einfach morgen als Wegzehrung mit.
Dann sitze ich bei Kerzenschein in der gemütlichen Sofaecke vor dem Panoramafenster und lese im Hüttenbuch. Da mich inzwischen fast alle anderen Norge på langs Wanderer überholt haben und nach dem schwedischen Abschnitt einige auch auf dieser Hütte waren, kann ich jetzt zur Abwechslung mal ihre Einträge lesen. Ich entdecke Texte von Els, Markus und Auguste und Helene. Außerdem hat Renée, die 2019 dieselbe Wanderung gemacht hat, geschrieben, dass sie am höchsten Punkt heute bis zu den Knien im Schnee versunken ist. Da habe ich wohl dieses Jahr mehr Glück, dass der Schnee erst später kommt.