Meistens wache ich gegen halb 5 oder spätestens 5 Uhr auf morgens. Sonnenaufgang ist aktuell um kurz nach 4 Uhr. Aber eigentlich ist es die ganze Nacht hell. Wobei ich das selten mitbekomme. Es hat mich noch nie gestört, wenn es hell ist beim Schlafen und abends bin ich sowieso vom Wandern immer so müde, dass ich die Nächte durchschlafe ohne irgendetwas mitzubekommen. Oft drehe ich mich morgens dann nochmal um und döse vor mich hin oder mache das Zelt auf und schaue in die Landschaft. Oder schreibe – da habe ich morgens oft mehr Lust zu als abends, wenn ich müde bin. Bis ich startklar bin, ist vom Aufstehen meist noch eine Stunde vergangen. Heute geht es um kurz nach 8 Uhr los. Und es gibt auch mal wieder ein Startfoto.

Schön mit langen Sachen als Schutz vor der Sonne. Ich habe (mit Absicht) keine Sonnencreme dabei, man kann sich auch so ganz gut schützen. Die superdünne Windjacke ist zum Beispiel perfekt dafür, da man darunter nicht viel mehr schwitzt. Heute ist der Himmel wirklich wolkenlos und die Sonne gibt alles.

Gestern abend haben wir noch die Karten studiert, da heute einige Flussquerungen anstehen. Hoffentlich stimmt es, dass zumindest an 3 Stellen Ganzjahresbrücken stehen. Das ist echt blöd, dass diese nicht in allen Karten eingezeichnet sind. Markus hat von diesem Gebiet eine Turkart von Nordeca im Maßstab 1:100.000, da sind die Brücken mit S für Sommerbrücke und H für Ganzjahresbrücke eingezeichnet. Wobei auch nicht alle, haben wir festgestellt. Ich habe auch von Nordeca Karten aus der Topo 3000 und Norge-Serien Reihe im Maßstab 1:50.000 und da sind überhaupt keine Brücken eingezeichnet. Vor allem bei der Topo 3000 Karte verstehe ich das nicht, da diese extra zum Wandern ist. Ein bisschen ärgerlich bei dieser wichtigen Info. Dann muss man doch wieder aufs Handy schauen, ob bei UT.no eine Brücke eingetragen ist. Auch da findet man aber nicht alle, also ist es im Endeffekt doch häufig eine Überraschung. Manchmal eine sehr gute, manchmal eine mit nassen Füßen.

Bis ins Geitvassdalen folgen wir erst festen Wegen, müssen über einige große Schneefelder und stapfen weiter unten wieder durch den Sumpf und über nasses Gras und Moos. Die Schneefelder sind in der Mitte meist noch fest und man kann gut darauf gehen. Nur mit der Sonne ist der Schnee so grell, dass ich ein paar Mal die Sonnenbrille aufsetzen muss, um meine Augen aufhalten zu können. Auf einem riesigen Schneefeld werfen wir die Rucksäcke ab und wollen auf dem Hintern herunterrutschen, allerdings ist es dazu doch nicht steil genug. Dafür liefern wir uns eine kleine Schneeballschlacht. Ein bisschen Spaß muss sein 🙂

Manche Schneefelder, die schon so dünn sind, dass man bei jedem Schritt bis zum Knie versinkt oder große Löcher und Risse in der Mitte haben, umgehen wir lieber. Dann geht’s außen herum durch Sumpf oder Gestrüpp. Manchmal fließt ein großer Bach drunter her, das ist uns dann auch nicht so geheuer. Und hier stecke ich plötzlich nach dem ersten Schritt bis zu den Oberschenkeln im Schnee. Gut, dass ich noch ganz am Rand bin, da komme ich einfacher wieder raus. Da suchen wir uns auch lieber einen Weg drumherum.

Wir finden ein großes Rentiergeweih, das neben dem Weg liegt. Tiere haben sich aber bisher noch keine blicken lassen. Das hier wollte ich erst gar nicht fotografieren, da es kein natürlich abgeworfenes ist, sondern von einem toten Tier. Der Kopf mit Oberkiefer und Zähnen ist noch dran.

Die Freude ist groß, als wir von weitem die erste Brücke entdecken. Juchhu, sie steht! Und ist lang und wackelig. Das Wasser darunter fließt so schnell und ist richtig wild, da wären wir sonst garantiert nicht rübergekommen. Ich schaue beim Rübergehen runter und komme dadurch sofort aus dem Tritt. Schnell wieder nach oben den Blick. Auf der anderen Seite angekommen, schwanke ich noch ein bisschen weiter. Ein komisches Gefühl.

Direkt hinter der Brücke finden wir einen schönen Pausenplatz. Hier gibt es was zu essen und ich strecke die Beine ein bisschen aus. Im Moment koche ich abends nach dem Essen schon das nächste Gericht und esse es am nächsten Tag mittags dann kalt. Das schmeckt super gut und ich muss nicht erst noch warten, bis es eingeweicht ist. Solange es so warm ist, ist das super. Wenn es irgendwann kälter wird, würde ich wahrscheinlich doch mittags kochen.

Heute klappt das Weitergehen nach der Pause zum Glück besser. Gestern waren Markus und ich beide nach dem Essen mittags so müde und die Beine richtig schlapp, dass wir erstmal wieder in die Gänge kommen mussten und den ersten Kilometer wie zwei Schnecken durch die Landschaft geschlichen sind.

Jetzt wird der Weg richtig matschig, nass und sumpfig. Dieses eine Brett bringt da nicht viel. Mit nassen und schlammigen Füßen stapfen wir durch das Reinvassdalen.

Bis die zweite Brücke in Sicht kommt. Jippieh! So kommen wir auch vor dem Abzweig nach Rauhelleren sicher auf die andere Seite des tiefen Flusses.

Dann folgen wir dem Fluss Djupa. Das Wasser ist eisig kalt. Ich lasse es in meiner Trinkflasche erstmal von der Sonne ein bisschen aufwärmen, dann ist es angenehmer zu trinken. Manche Schneefelder reichen noch bis in den Fluss mit seinen zig Stromschnellen. Nach dem Schnee folgt wieder eine weite sumpfige Ebene. Mit viel niedrigem Gestrüpp mit echt kratzigen Ästen. Von den vorherigen Tagen mit kurzer Hose sind meine Beine schon total zerkratzt davon, mit langer Hose geht es etwas besser und tut nicht so weh.

Ich sehe die Brücke zuerst. Eine einfache Holzbrücke. Die allerdings hinter dem wilden Bach im Gestrüpp liegt. Die nächste Sommerbrücke, die nirgendwo eingezeichnet ist. Na toll! Wir laufen ein ganzes Stück den Bach entlang und suchen nach einer Stelle, wo wir uns rüber trauen. Eine etwas breitere Stelle, wo das Wasser ruhiger fließt, sieht okay aus. Allerdings ist es recht tief. Während Markus noch seine Schuhe auszieht, teste ich schon mal ein paar Schritte. Natürlich mit Trekkingstöcken und abgeschnallt. Immer schön die Schnallen vom Rucksack öffnen, damit man sich im Notfall schnell davon befreien kann. Das Wasser ist gar nicht so kalt und die Querung dann doch relativ einfach. Die Strömung spürt man kaum. Nur die Steine sind ziemlich rutschig. Geschafft! Hier gehe ich sogar extra für das Foto nochmal ins Wasser 😉

Die letzten beiden Querungen für heute führen dann kurz nacheinander komfortabel über zwei einfache Brücken. Fazit von heute: Ganzjahresbrücken sind echt klasse!

Wir finden einen schönen, ebenen Zeltplatz mit festem Boden. Die Aussicht ist nicht so gut wie die letzten Abende, aber ich freue mich, dass es heute fast windstill ist. Dann kann man auch mal etwas länger vor dem Zelt sitzen, statt sich so schnell in den Schlafsack zu verkriechen. Ich fühle mich irgendwie total matschig von der ganzen Sonne. Es war zwar nicht super heiß, aber trotzdem ein ganzer Tag in praller Sonne, ohne Schatten.

Wir teilen unser Essen heute, damit wir mal ein bisschen Abwechslung haben. Markus isst ein selbstgemachtes Paket Nudeln mit Paprika und Tomaten von mir und spendiert dafür zum Nachtisch für jeden eine Tomatensuppe. Zum Nach-Nachtisch noch ein Stück Schokolade, das ist ein richtiges Festessen heute. Wir sitzen ziemlich lange vor unseren Zelten, essen, reden und schreiben. Und Markus schneidet am Handy mein Video. In Geilo endet seine nächste Etappe und es gibt ein neues Video. Das allerbeste ist aber, dass er auch für mich ein eigenes Video gemacht hat. Er hat mich unterwegs immer mal ein bisschen gefilmt und jetzt bekomme ich mein eigenes Hardangervidda-Video. Da heute unser letzter gemeinsamer Abend ist, darf ich es mir schon anschauen. Freut euch drauf, ich finde, es ist mega gut geworden! Hochladen geht aber erst in Geilo, wenn Markus W-Lan hat.

Plötzlich tauchen ein Stück weiter zwei Gestalten auf. Markus dreht sich erst gar nicht um, weil er mir nicht glaubt. Wir haben die ganze Zeit hier oben niemanden getroffen. Aber da kommen zwei Kerle mit nacktem Oberkörper, langem Bart und riesigem Rucksack auf uns zu. Nachdem sie irgendwas fragen und ich zurückgebe, ob wir Englisch reden können, bleiben sie stehen.
„Wo kommt ihr her?“
„Aus Rjukan.“
„Wo?“
„Aus Rjukan.“
„Hä? Wo?“ So ist das mit der Aussprache von norwegischen Orten…
„Aus Mårbu.“
„Ah, ja. Und wo habt ihr das Auto geparkt?“
„Wir gehen nur zu Fuß. Wir laufen Norge på langs.“
Sie lachen. „Wir auch!“

Das ist spannend. Wir quatschen noch eine ganze Weile. Die beiden sind aus Oslo, Frikk und Jørgen, und sind am 2. März am Nordkap gestartet. Bis Røros waren sie mit Skiern unterwegs, jetzt gehen sie den Rest zu Fuß und wollen in ungefähr 2 Wochen in Lindesnes ankommen. Sie wussten gar nicht, dass die Wanderung in Deutschland immer beliebter wird und staunen, als wir erzählen, dass hinter uns noch so viele andere unterwegs sind. Nur von den beiden norwegischen Polizisten haben sie auch schon gehört, sind ihnen aber nicht begegnet. Sie meinen, dass es ziemlich stark von uns wäre, ohne das Land weiter zu kennen, einfach mal zu Fuß durch zu laufen. Wir verabschieden uns alle mit „God tur“ und ich freue mich über diese tolle Begegnung.


22,5 km
6:25 h
433 hm
538 hm
1.353 m