Gestern gab es doch tatsächlich noch einen Mitternachtssnack. Wir waren beide irgendwie noch nicht richtig satt und haben dann nach zig Gängen in den Vorratsraum und minutenlangem Herumstehen doch nochmal die Pfanne aufgeheizt und eine zweite Portion Pfannkuchen gemacht. Danach sind mir aber auch im Stehen schon die Augen zugefallen.

Heute geht es trotzdem relativ früh los. Um 20 nach 7 sind wir startklar.

Erstmal liegen einige Höhenmeter Abstieg vor uns. Bis zur Straße nach Breistølen. Es geht abwechselnd über Steine und Schnee. Die ersten Schneefelder sind schon ziemlich weich, da fängt der Tag direkt anstrengend an. Nach nicht einmal 400 Metern sacke ich so tief ein, dass ich meinen linken Fuß nicht mehr befreien kann. Er steckt gestreckt mit der Spitze voran fest und der Schnee ist so nass und pappig, dass ich ihn nicht mehr bewegen kann. Ich versuche den Schnee vor und hinter meinem Schuh mit der Stockspitze zu lockern, das bringt aber nicht viel. Also kommt wieder die kleine Schaufel zum Einsatz. Mein rechtes Bein ist zum Glück frei, da knie ich drauf. Ich brauche echt lange bis ich tief genug gebuddelt habe, dass ich meinen Fuß wieder herausziehen kann. In dem Moment steht für mich fest, dass ich später nicht direkt wieder hoch in die nächsten Schneeberge gehe, sondern ein Stück Straße einschiebe. Ich habe mir nicht wehgetan, es ist alles okay. Aber trotzdem ein ziemlich blödes Gefühl. Und Markus steht besorgt neben mir, er kann ja auch nichts machen, um zu helfen. Zum Glück hält der Schnee neben dem Loch beim Aufstehen, dass ich nicht direkt wieder versinke. Das war es dann auch mit trockenen Füßen für heute. Aber die paar Minuten von der Hütte hierher war das echt angenehm!

Zum Glück sind die größeren Schneefelder in der Mitte fest, dass man ganz komfortabel darüber laufen kann. Da kommt man auch schneller voran, als auf den Geröllfeldern. Wir suchen uns also immer den besten Weg, bei kleinen Schneefeldern über die Felsen, bei großen Schneefeldern über den Schnee. Außer dass wir beide noch bei einigen Schritten bis zu den Knien einsinken, geht alles gut.

Am Graveggi und Nedre Bjordalsvatnet vorbei, geht es dann das Stardalen hinab. Wir haben keine gute Sicht, aber irgendwann kann man erkennen, dass es nach der großen Ebene weiter hinunter geht durch das schmale Tal. Vorher geht es nur leicht runter und zwischendurch doch nochmal ein paar Meter rauf.

An diesen Stellen sind wir immer besonders vorsichtig, wenn unter dem Schnee ein Fluss fließt. Anne in Storestølen hat uns erzählt, dass sie mal auf einem Schneefeld genau über einem wilden Bach eingebrochen ist und mit den Füßen schon in der starken Strömung hing. Das habe ich jetzt irgendwie immer im Hinterkopf und bin noch vorsichtiger. Allerdings sieht man an der Kante ja auch, dass der Schnee noch mindestens einen Meter dick ist. Wir halten also einfach genügend Abstand von der Kante und testen mit den Stöcken, ob der Schnee fest ist, bevor wir den nächsten Schritt machen.

Zwischen Mjåvatnet und Starjøen fließt noch ein reißender Fluss mit vielen Wasserfällen. Er kommt unter uns aus dem noch meterdicken Schnee geschossen. Das sieht ein bisschen gefährlich aus, da wollen wir auf keinen Fall näher ran. Das Schneefeld geht aber hoch soweit man gucken kann, also laufen wir einen riesigen Bogen. Und kommen dabei an diesem Schild vorbei. Erst fragen wir uns, wieso hier plötzlich mitten am Berg ein Schild steht. Wohl um uns zu sagen, dass wir uns an die Markierungen halten sollen! Natürlich – wenn man sie denn sieht. Ab hier ist das aber auch wieder der Fall.

Da unten, noch hinter der Kante, kommt der Fluss aus dem Schnee.

So langsam wird der Schnee weniger, als es herunter geht. Schade, dass man nicht mehr sehen kann. Rechts kann ich zwischendurch einen Blick auf steile Felsen und Wasserfälle erhaschen.

Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich mich mal über sumpfige Wege freue. Jetzt gerade schon! Den Schnee lassen wir hinter uns und gehen über matschige Wiese und Steine weiter hinab. Das ist echt entspannt, wenn man nicht ständig einsinkt. Hier kann man stattdessen über Steine durch den Sumpf balancieren – wieder gewohntes Terrain 🙂

Irgendwann kommen wir auf eine Schotterstraße, an einer Baustelle vorbei und erreichen die Straße. Breistølen ist eine privat geführte Hütte, die noch nicht geöffnet hat, aber 500 Meter weiter liegt noch eine unbewirtschaftete DNT-Hütte. Den Umweg nehme ich gerne in Kauf, um dort Mittagspause zu machen und mich ein bisschen aufzuwärmen. Es ist gerade passend halb 1 und es regnet und ist ungemütlich windig.

Obwohl Skarvheim direkt an der Straße liegt, ist die Hütte richtig schön und gemütlich. Wobei ich mich anscheinend schon zu sehr an die Berghütten ohne Strom und Wasser gewöhnt habe. Als ich in die Küche komme, frage ich Markus, ob er schon gesehen hat, wo wir Wasser holen können. Einen Bach oder Brunnen in der Nähe. Er weist mich lachend darauf hin, dass es hier fließendes Wasser aus dem Hahn gäbe. Das ist ja was. Die Küche ist voll ausgestattet mit Herd, Ofen, Wasserkocher, Wasserhahn und Spülbecken. Und das Bad erst – es gibt eine Toilette mit Spülung, Waschbecken und eine Dusche! Wahnsinn 🙂 Ihr könnt das wahrscheinlich gar nicht nachvollziehen, aber das sind alles Sachen, die es weiter oben in den Hütten nicht gibt und die ich dort auch nicht vermisse. Man kann schon echt gut ohne das alles zurechtkommen.

Die Pause wird über 2 Stunden lang, wir machen den Kamin an, kochen, essen und genießen eine warme Dusche. Wer weiß, wann es das nächste Mal die Möglichkeit gibt zu duschen. Dann schauen wir nochmal in die Karte und den Schneebericht. Geplant war eigentlich direkt wieder aufzusteigen und durch das Filefjell und über Sulebu zu gehen. Allerdings habe ich gerade nicht so richtig Lust dazu. Das wird wieder viel Schnee und man hat aktuell keine gute Sicht da oben. Da wir die letzten Tage ja auch nur langsam vorangekommen sind, würde ich lieber ein Stück Straße einschieben für ein bisschen Abwechslung und um ein bisschen mehr Strecke zu schaffen. Markus wäre gerne weiter durch die Berge gegangen, will aber nicht alleine da hoch. Als wir uns die Alternative genauer anschauen, ist das aber gar nicht mal so viel Straße. Es gibt einige parallele Wege, die wir nehmen können. Das sieht super aus. Einfach laufen, bis wir keine Lust mehr haben und dann irgendwo das Zelt aufstellen. So ist der neue Plan.

Beim Abstieg auf den unebenen Pfaden habe ich wieder mein rechtes Sprunggelenk ein bisschen gemerkt, über dem Knöchel an der Innenseite. Ich glaube, das ist ein bisschen überlastet vom Schnee-Stapfen und Geröll-Balancieren gestern. Das gefällt mir gar nicht. Jetzt auf der Straße merke ich es auch. Sonst bin ich auf der Straße meist richtig schnell unterwegs, heute eher im Schneckentempo.

Wir folgen der 52 bis zu den ersten steilen Kurven und können dann auf einen Pfad ins Grüne abbiegen. Der Weg ist unerwartet schön. Nachdem wir die Straße nochmal kreuzen, ist er auch nicht mehr so zugewuchert, sondern ein breiter Wiesenweg. An alten Holzschuppen vorbei, über einen Zaun, mit Blick auf die Berge und richtig lange Wasserfälle, durch ein Gatter und am Ende wieder durch hohes Gras zur Straße runter. Wir fangen uns die ersten Mückenstiche ein und gehen über eine Wiese mit Wassertropfen in den Blätter-Kelchen. Das sieht gut aus.

Mein Fuß tut allerdings inzwischen richtig weh. Weit sollte ich wohl heute besser nicht mehr laufen. Kurz vor dem Borlaugstunnelen biegen wir ab auf den Radweg. Eine asphaltierte Straße, wo wir aber ganz alleine sind, hier ist überhaupt kein Verkehr. Es geht entlang des Wildwasser-Flusses Smeddalselvi, der die ganze Zeit laut neben uns tost. Ein Wasserfall nach dem nächsten und zwischendurch große Felsblöcke, die der Strömung trotzen. Manchmal sind links von uns ein paar hohe Felswände, die den Schall so reflektieren, dass es sich anhört, als würde von dort ein Wasserfall auf uns herunterdonnern.

Und immer wieder kommen von beiden Seiten Wasserfälle den Berg hinunter. Manche von ganz schön weit oben, das sieht super aus. Und die Bäume auf den Felsen und das bunte Moos sehen aus wie in einem Zauberwald.

Wir müssen noch ein ganzes Stück gehen, bevor wir eine halbwegs ebene Fläche für die Zelte finden. Es ist viel zu steil auf beiden Seiten des Weges. Irgendwann kommen wir aber zu einer eingezäunten Wiese und einer Brücke über den Fluss. Auf der anderen Seite ist das Gras zwar ziemlich hoch und es wachsen überall Brennesseln, aber hier finden wir einen passenden Platz. Direkt unterhalb eines Sendemasten. Das wird direkt genutzt, um per Video Zuhause anzurufen, nachdem alles aufgebaut ist und mein Essen noch zieht.

Achja, und vor dem Aufbauen schauen wir lieber erst noch eine Pflanze nach, deren Blätter so aussehen, als könnte es Riesen-Bärenklau sein. Ist es nicht, sondern Eisenhut – der ist allerdings auch giftig. Da halten wir schön Abstand.

Ich mache mir Gedanken um meinen Fuß und überlege, was am besten wäre. Ich werde das Sprunggelenk morgen früh tapen und dann schauen, dass ich hoch zur nächsten Hütte komme. Es geht viel bergauf, da hatte ich bisher keine Schmerzen. Dann kann ich dort schauen, ob ich direkt weitergehe oder eventuell direkt noch einen Pausentag zum Schonen einlege. Besser so, als wenn ich es ignoriere und dann irgendwann länger pausieren muss.


25,2 km
7:05 h
355 hm
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