Weiter geht es heute erstmal am Smeddalselvi. Dem wilden Fluss, der von so vielen Wasserfällen aus den Bergen oben gespeist wird. Da der Radweg sich gut zum langsamen Warmlaufen eignet, wenn man noch ein bisschen müde ist, lassen wir die parallel verlaufenden Wanderwege links liegen. Das ist sowieso immer nur ein kleines Stück durch den Wald und dann kommt der Weg wieder runter auf den Radweg.

Bis wir in Maristova auf den Gamle Kongevegen (alte Königsstraße) stoßen. Der König hat diese Straße von Oslo nach Bergen bauen lassen. Dieser Abschnitt wurde 1793 fertig gestellt. Am Rand stehen immer mal wieder Schilder mit zusätzlichen Infos. Der Bau war Schwerstarbeit, da es noch kein Dynamit gab, um die vielen Felsen zu sprengen und nur einfache Werkzeuge. Und als die Straße fertig war, war es ein sehr unbeliebter Job, Leute über die Straße durch das Filefjell zu transportieren. Das war die Aufgabe der Bauern und da die wenigen Pferde meist auf den Höfen gebraucht wurden, mussten die Schlitten oder Kutschen von kräftigen Männern gezogen werden. Steil hinauf und wieder hinab. Für einen Schlitten wurden 6 bis 8 Männer gebraucht. Für den Transport von 2 Passagieren mit Gepäck also fast 20 Männer. Und der Transport war bis 1814 auch noch kostenlos für die Oberschicht. Heutzutage wird der Weg nur noch als Wanderweg genutzt. Ein sehr fußfreundlicher, breiter Weg. Ganz anders als alle Pfade, die ich bisher so gegangen bin hier in Norwegen. Das ist mal richtiges Luxus-Wandern oder eben königliches Wandern. Auch wenn der König bestimmt in der Kutsche gezogen wurde.

Es geht ziemlich steil durch den Wald hinauf. Aber der Blick zurück wird dafür immer besser.

Dann wird es flacher und die ersten 500 Höhenmeter für heute sind schon mal geschafft. In einigen Senken liegt noch ein bisschen Schnee, aber ansonsten ist der Boden fest und ungewohnt entspannt zu gehen. Es geht leicht rauf und runter, an Seen vorbei und dann kommt auch noch die Sonne raus. Heute bekommen wir zur Abwechslung mal ein bisschen was vom Sommer mit, im Gegensatz zu den letzten Tagen hoch oben im Schnee.

Wir nutzen das schöne Wetter und machen vor dem Abstieg eine lange Mittagspause. Essen und noch ein bisschen auf einer Felsplatte in der Sonne herumliegen. Herrlich!

Dann geht es wieder hinab, durch einen schönen Birkenwald und bis nach Kyrkjestølane. An der St. Thomaskyrkja, der Kirche, machen wir nochmal Pause. Das war der erste Teil des Tages.

Jetzt geht es wieder hoch in die Berge und ich freue mich schon auf die nächste Hütte. Und sowieso auf den Anstieg, beim Abstieg vorhin tat mein Fuß nämlich wieder ein bisschen weh. Nicht doll, aber beim Hochgehen merke ich dagegen gar nichts davon. Das Tape scheint auch gut zu unterstützen, ich habe sehr wenig Schmerzen heute im Gegensatz zu gestern Nachmittag.

Auf dem letzten Foto seht ihr, wo es hinauf geht. Hinter der Kirche den Wald hoch, am Wasserfall entlang. Ein super schöner Weg. Steil und anstrengend, aber mir macht es Spaß.

Oben erwarten uns wieder riesige Schneefelder, aber der Schnee ist fest und die Landschaft wunderschön. Endlich haben wir heute auch mal eine super Aussicht, in den letzten Bergen haben wir nie so weit gucken können. Da der Schnee so grell ist, setze ich meine Sonnenbrille auf. Zum Glück, denn sonst hätte ich das Beste wahrscheinlich gar nicht gesehen, da die Sonne zu sehr blendet. Ein Halo! Das habe ich bisher erst einmal sehen können. Ein farbiger Ring um die Sonne, der entsteht, wenn das Licht an Eiskristallen gebrochen wird. Hier zwar relativ schwach, aber trotzdem deutlich zu erkennen. Das ist, glaube ich, ziemlich selten.

Abwechselnd über Gras, Felsen und Schnee geht es um viele zugefrorene Seen herum. Darüber trauen wir uns nicht, wer weiß, ob das Eis wirklich überall noch dick genug ist. Westlich vom Slettningen steht praktischerweise eine Ganzjahresbrücke.

Ich mache nochmal eine kurze Pause, um die Sonne und den Blick zu genießen. Und ein paar Nüsse zu essen als Stärkung, ich bin gerade ein bisschen müde.

Um die Seen liegt immer noch ziemlich viel Schnee. Oft steile Schneefelder, die im Eis-Wasser enden. Als der Weg weiter hoch führt, weg von den Seen, ist es schneefrei. Hier führt der Weg über Geröll und dazwischen Gras und wieder diese bunten Korallen. Das helle grün leuchtet richtig im Schatten.

Am höchsten Punkt angekommen staune ich nicht schlecht. Als ich über die Kuppe gucken kann, eröffnet sich ein ganz neuer Blick. Die erste Sicht auf die hohen Berge in Jotunheimen. Markus hole ich hier auch wieder ein. Es ist einfach fantastisch, hier oben anzukommen und ganz unerwartet vor so einer Aussicht zu stehen.

Und die Hütte ist auch schon in Sicht. Erst müssen wir aber noch um den Øvre Årdalsvatnet herum. Ein großer See, also wieder über Schnee. Das erste große Schneefeld herunter geht schnell. Im Hackengang und mit gedachten Skiern unter den Füßen kommen wir unten an. Noch einen Bogen um den Bach, der schon ein Loch in den Schnee gefressen hat und dann direkt an der Seekante entlang. Die eigentlich gar nicht zu erkennen ist. Wir laufen nach GPS, um nicht plötzlich auf dem See zu stehen.

Hier stehe ich direkt an einer Wegmarkierung. Da trauen wir uns aber nicht drüber und klettern lieber über ein paar Felsen und gehen auf dem hochgezogenen Schnee weiter rechts entlang.

Noch über diesen kleinen, schönen Grat und direkt dahinter liegt die Hütte.

Inzwischen ist es halb 8. Das war ein langer Tag, vor 12 Stunden sind wir losgegangen. Durch die langen Pausen und abwechslungsreichen Wege heute, kam es mir aber gar nicht so lang vor.

Willkommen auf der Slettningsbu!

Schon von weitem gefällt mir die Hütte richtig gut. Die Lage und das Äußere. Die Stelzen aus Stein darunter und die 2 großen Baumstämme als Säulen auf der Vorderseite. Und als ich eintrete, bin ich völlig verliebt. Es ist einfach eingerichtet, gemütlich, ich mag es. Die alten Holzdielen, den Ofen, die Sitzecke. Die Slettningsbu rutscht auf Platz 1 meines Hüttenrankings und löst Hovstøyl ab.

Wir haben uns auf dem Weg schon Gedanken gemacht, dass wir hier kein Wasser holen können, sondern Schnee schmelzen müssen. Am Rand des Sees ist aber schon ein kleines Stück eisfrei, da können wir Wasser schöpfen.

Dann nur noch Essen und Schlafen, ich bin total müde. Morgen werde ich erstmal mit einem entspannten Morgen starten und dann entweder mittags weitergehen oder einen ganzen Tag Pause einschieben.

Mein Zeitgefühl ist völlig im Eimer, vor allem abends. Ich denke, dass ich heute früh schlafen gehe, als ich Markus eine Gute Nacht wünsche, der noch in der Stube sitzt. Beim Blick auf die Uhr ist es aber doch schon wieder halb 11. Es ist eben genauso hell wie vor ein paar Stunden.


26,2 km
8:05 h
1.297 hm
674 hm
1.426 m