Nachdem die letzten beiden Wandertage vor Røros nicht so toll waren, ist das kleine Tief zum Glück heute überstanden. Es ist ganz interessant, dass die anderen – Markus, Katharina und Manuel – die beiden Tage genauso anstrengend und schrecklich fanden. Da hatten wir alle zur selben Zeit einen Hänger, der vor allem mental eine kleine Herausforderung war. Hitze, Mücken und langweilige Wege haben da bestimmt nicht unerheblich zu beigetragen. Katharina und Manuel erzählen von einem NPLer, der seine Tour abgebrochen hat, als er schon ziemlich weit im Norden war und die weglosen und sumpfigen Nationalparks hinter sich hatte. Das schwerste war also geschafft. Trotzdem hat er vor dem Nordkap aufgegeben und die beiden haben vorher nie verstanden, wie man so kurz vor dem Ziel aussteigen kann. Jetzt verstehen wir das alle ziemlich gut. Man braucht schon viel Kraft und Willensstärke, sich jeden Morgen wieder aufzuraffen und weiterzugehen. Es gibt ja nicht täglich blauen Himmel, Sonne, tolle Ausblicke, gut markierte Wege und schöne Zeltplätze. Ich bin aber froh, dass ich bisher überwiegend Hochs hatte und noch keine großen Motivationsprobleme. In nächster Zeit bereiten mir nur die Mückenschwärme ein bisschen Sorgen, die werden noch kräftig an den Nerven zerren.

Los geht’s um 20 nach 9. Heute wieder zu zweit.

Durch die noch schlafende Stadt, Wohngebiete, über Wiesen und in den Wald. Entlang des E1, der aber tatsächlich überhaupt nicht markiert ist. Ich frage mich, wer bei den großen europäischen Fernwanderwegen eigentlich für die Markierungen sorgt. Freiwillige und ehrenamtliche, die Wandervereine? Hier jedenfalls niemand.

Das Wetter ist richtig angenehm zum Gehen. Bewölkt, nicht zu warm, ein bisschen Wind, keine Mücken. Wir gehen ganz gemütlich und quatschen viel. Heute freue ich mich richtig über die Gesellschaft.

Schotterstraße und ein schmaler Pfad durch den Wald wechseln sich ab. Der Pfad ist teilweise etwas zugewuchert und im Wald haben wir dann doch keine Ruhe vor den Mücken. Aber es ist noch gut ertragbar. Nach den beiden Tagen vor Røros hat sich auch hier wahrscheinlich das Empfinden verändert und man wird unempfindlicher, wenn man weiß, dass es noch viel schlimmer sein könnte. Als mich eine Bremse (denke ich jedenfalls) an der Wade erwischt und es ziemlich lange dauert bis der Schmerz nachlässt, ziehe ich aber dann doch schnell noch meine Regenhose über.

Am nächsten Abzweig von der Schotterstraße in den Wald entscheiden wir uns dann allerdings, der Straße weiter zu folgen. Lieber die 4 Kilometer bis Glåmos so gemütlich weitergehen, als durch den Wald und Stiche sammeln. Auf der Hauptstraße in den Ort ist auch nicht viel Verkehr.

Markus träumt schon unterwegs von einem Eis und ich lasse mich anstecken. Also machen wir einen kurzen Abstecher zum Supermarkt. Nur um dort festzustellen, dass alles dunkel ist – es ist Sonntag! Wer hat sich das nur ausgedacht mit den verschiedenen Wochentagen? Die braucht man beim Wandern doch gar nicht 😉 Dann also kein Eis. Dafür machen wir an der Kirche eine lange Pause.

Beim Weitergehen schaue ich dann ständig auf meine Uhr. Mein erster Tausender rückt nämlich näher, nicht dass ich den verpasse. Das ist schließlich ein Grund für ein kleines Freudentänzchen. Aber es geht erst noch ein Stück die Straße entlang, durch den Wald und dann auf eine Schotterstraße ins Molingdalen. Wir haben den ersten Blick auf die Berge, wo wir morgen weglos hinauf wollen.

Und dann ist es soweit – die ersten 1.000 Kilometer sind geschafft! Unvorstellbar, dass man so viel zu Fuß gelaufen ist. Das ist immer wieder so, selbst wenn ich dieses Jubiläum jetzt schon zum dritten Mal feiern kann. Und auf dieser Wanderung ist das noch nicht einmal die Hälfte.

Wir wollen noch ein bisschen dem Fluss Stormolinga entlang dem Traktorpfad folgen und uns dann einen schönen Zeltplatz suchen. Bevor dann morgen der weglose Teil folgt, wo ich schon ein bisschen aufgeregt bin. Wenn man sich die Gegend auf der Karte anschaut, hat man ja manchmal eine Vorstellung im Kopf, wie es aussehen könnte. Hier habe ich nur gehofft, dass der Wald kein dunkler und dichter Tannenwald ist. Daher freue ich mich über das offene Gelände und den lichten Birkenwald.

Schafe treffen wir auch wieder einige. Auch auf der Schotterstraße weiter unten schon. Manche lassen sich gar nicht stören, andere rennen schnell weg. Und diese hier laufen eine ganze Weile vor uns her, bis sie dann mal abbiegen und uns vorbeilassen.

Als der Fluss näher zum Weg kommt, finden wir einen wunderschönen Schlafplatz. Hier bleiben wir. Beim Aufbauen fängt es dann an zu regnen, es sind aber immer nur kurze Schauer. Die Regenkleidung bleibt trotzdem an, es wimmelt hier von winzigen Fliegen. Die stechen zwar nicht, aber sie sind einfach überall. Schnell haben wir beide im Gesicht ganz viele schwarze Punkte. Ich teste das erste Mal mein Kopfnetz, das Netz ist allerdings zu grob für diese kleinen Viecher. Ist das blöd! Dieser Platz ist so wunderschön und man könnte gemütlich auf den Steinen am Fluss sitzen, aber die Fliegen und später auch die Mücken machen das alles zunichte.

Beim nächsten Regenschauer gibt es einen bunten Regenbogen auf der gegenüberliegenden Seite.

In einer Regenpause kochen wir zwar draußen, zum Essen verziehen wir uns aber schnell ins Zelt. Sonst würde man wahrscheinlich einige von den winzigen Fliegen mitessen.

Außerdem kommen ziemlich schwarze Wolken auf uns zu und der Wetterbericht kündigt Gewitter an. Da spanne ich lieber mein Zelt noch besser ab und kontrolliere nochmal alle Heringe. So Gewitter kann schon mal heftigen Wind mit sich bringen. Zum Glück bleibt es aber aus. Es schüttet nur.


24,3 km
5:25 h
505 hm
391 hm
840 m