Morgens liege ich lange im Bett und schreibe. Als es dann schon fast 11 Uhr ist, beschließe ich auch gleich auf der Hütte schon zu Mittag zu essen. Noch einen Blaubeer-Tee hinterher und dann bin ich wieder bereit loszugehen. Inzwischen ist es kurz vor 12 Uhr. Als wir gerade noch fegen und dann die Schuhe anziehen, steckt eine Norwegerin den Kopf zur Tür rein. Sie geht mit ihrem Freund und dem Hund auch Norge på langs mit Ziel Nordkap. Die drei haben in der Hundehütte geschlafen. Es gibt meistens ein Nebengebäude, wo man mit Hunden übernachten darf. Wir quatschen ein bisschen und dann geht’s wirklich los.

Eigentlich hatte ich geplant, durch das Grøndalen zu gehen. Da gibt es eventuell einen unmarkierten Pfad. Allerdings auch einen Fluss, der gefurtet werden muss und wahrscheinlich ziemlich viel Wasser hat gerade, wenn ich mir den Schnee weiter oben so anschaue. Und es hat auch die ganze Nacht geregnet. Vielleicht dann nicht die beste Idee. Markus und ich waren uns heute Morgen schon einig, dass wir den etwas weiteren Weg außen herum, über eine Schotterstraße nehmen. Das sind ungefähr 4 Kilometer mehr.

Wir lassen die Hütte hinter uns und freuen uns über ein bisschen Sonne. Laut Wetterbericht soll die nämlich die nächsten Tage, also eigentlich solange der Wetterbericht schon abrufbar ist, nicht mehr zu sehen sein. Es ist nur noch Regen angesagt, jeden Tag. Gestern Nacht hat es schon ziemlich gestürmt und bis vorhin geschüttet. Wir haben also einen guten Zeitpunkt zum Losgehen erwischt. Auch wenn auf einer Seite schon wieder eine dunkle Front anrückt.

Die Schuhe bleiben nicht lange trocken, da es überall ziemlich sumpfig ist. Platsch, platsch, platsch, wir stapfen durch den Matsch…

Wir sind schon fast an der Stelle vorbei, wo ich ursprünglich abbiegen wollte. Ich merke es aber noch rechtzeitig. Zumindest schaue ich mal, ob es tatsächlich einen Pfad gibt. Aber natürlich nicht, es ist nichts zu erkennen. Trotzdem bleiben wir eine Weile stehen und schauen uns die Gegend an. Das Wetter ist gerade sehr viel besser als erwartet und wir sind beide schon wieder in Abenteuerstimmung. Sollen wir es doch versuchen? Ja! Wir können ja zur Not den ganzen Fluss entlang laufen, um eine mögliche Furt zu finden. Also biegen wir nun doch links ab in das Grøndalen. Die Orientierung sollte hier ziemlich einfach sein. Den Talkessel durch und immer auf dieser Seite des Flusses Grøna.

Auch wenn auf der Karte die Bäche nur als schmale Linie eingezeichnet sind, können sie mal etwas breiter sein. Die erste Überquerung kommt schneller als erwartet, ist aber einfach.

Wir orientieren uns an ein paar größeren Sumpf-Seen, die auch auf der Karte eingezeichnet sind. An dem einen links vorbei, dann zwischen zweien hindurch. Das Gelände ist mal sumpfig, mal ist es besser zu gehen auf festem Boden, Steinen und Gras.

Ich bleibe stehen, weil ich ein lautes Donnern höre. Im ersten Moment denke ich an Gewitter oder eine Lawine. Aber als ich mich umschaue, entdecke ich eine riesige Rentierherde, die über ein großes Schneefeld rennt. Wahnsinn, das sind echt viele. Nur viel zu weit weg für ein schönes Foto.

Danach sehen wir immer wieder kleinere Gruppen mit jungen Rentieren dabei, die ein ganzes Stück vor uns hinter Hügeln auftauchen und auch Richtung Schneefeld unterwegs sind. Als ob sie sich dort alle versammeln.

Als wir nach zig kleineren Bachquerungen näher an den gefürchteten Fluss kommen, verlässt mich etwas Mut. Man hört das tosende Wasser schon eine ganze Weile bevor der Fluss in Sicht kommt. Das hört sich nach viel Wildwasser und Wasserfällen an. Dann stehen wir vor dem Fremmergrøna. Die erste Hälfte sieht einfach aus, aber dahinter ist die Strömung viel zu stark.

Wir laufen ziemlich lange den Fluss runter und wieder hoch. Eine Idee ist auch, die Grøna zweimal zu furten, um diesem Fluss aus dem Weg zu gehen. Auf dem Weg flussaufwärts finden wir aber zwei Stellen, die funktionieren könnten. Da ist der Fluss breiter, die Strömung nicht so stark und es ist relativ flach. Noch weiter oben sieht es dann so aus, es wird also nicht besser.

Wir klettern noch bis über den Schnee hinauf, darüber sind aber nur noch mehr Wasserfälle. Also wieder zurück, nochmal die beiden Stellen anschauen und abwägen, ob es sicher genug ist. Dann rein ins Wasser. Im Endeffekt klappt es super, nur ein Schritt durch eine schmale Stelle mit der sträksten Strömung ist etwas blöd. Da ist das Wasser auch am tiefsten, zwischendurch stehen wir bis zum Oberschenkel im Wasser. Vor dieser Stelle stehe ich auch eine ganze Weile auf einem großen Stein mitten im Fluss und muss mir erst noch einen Ruck geben.

Dann ist es geschafft und es geht weiter das Tal hinunter. Wir freuen uns noch, dass wir schon wieder so ein Glück haben mit dem Wetter. Die dunklen Wolken von vorhin sind an uns vorbeigezogen und wir haben nichts abbekommen. Und die Wolken jetzt sind eine Mischung aus Riesen-Blumenkohl und Zuckerwatte.

So schnell kann sich das ändern. 15 Minuten später sieht es so aus.

Aber wir verlieren immer mehr an Höhe und sind bald wieder unter der Baumgrenze. Erst gehen wir durch einzelne, verbogene Birken, dann wird es immer grüner auf dem Weg bergab. Hier haben wir auch wieder einen Pfad, dem wir folgen können. Aber das hat wieder super geklappt vorher, wir werden noch richtige Querfeldein-Profis.

Kurz vor dem großen See Grønsjøen kommen wir an einer Hütte vorbei. Wir setzen uns auf die Terrasse und machen Pause. Kochen, essen und kurz ausruhen. Aber es wird schnell zu kalt und fängt an zu regnen. Zumindest ist der weitere Weg jetzt einfacher, hier fängt nämlich eine Schotterstraße an. Dieser einsamen Straße folgen wir nun eine ganze Weile. Am See vorbei, der ziemlich Hochwasser hat. Und später mit Blick auf hellgrüne Felder im Tal und schneebedeckte Bergen in der Ferne.

In Løvøya geht es an ein paar Höfen vorbei und dann auf einen schmalen und grünen Pfad an der Tya entlang. Hier stoßen wir wieder auf Pilger-Markierungen, der Olavsweg geht anscheinend auch hierher.

Nur die Mücken sind wieder echt lästig. Wir halten schonmal Ausschau nach einem möglichen Zeltplatz, müssen aber noch ein ganzes Stück weitergehen. Erst hinter einem kleinen Staudamm finden wir einen Weg, der am See endet. Da bleiben wir. Wären da nicht die ganzen Mücken, könnte man auch hier echt schön noch draußen sitzen. So verschwindet jeder ganz schnell in seinem Zelt. Zumal es wieder regnet. Am nervigsten sind die Kriebelmücken, auf norwegisch Knots. Die winzigen Tierchen, die beißen, sind einfach überall. Augen, Ohren, Nase und Mund sollte man möglichst bedecken, sonst wird man wahnsinnig. Ich vermumme mich mit Regensachen und Buff so, dass nur ein Schlitz für meine Augen freibleibt. Das hilft auch nur bedingt, da mir ständig ein Tier ins Auge fliegt.


21,2 km
5:15 h
212 hm
715 hm
1.055 m