Dies ist ein Gastbeitrag von Markus 🙂 Die andere Seite der Geschichte rund um die Suche nach Elsa, der abenteuerliche Teil. Text und Bilder von Markus Braun.


Wir sitzen nach dem Frühstück noch im Aufenthaltsraum oben in der umgebauten Scheune. Els verabschiedet sich und läuft los. Wir beobachten sie, wie sie über die Wiese läuft. Ihre Spur im hohen Gras ist deutlich sichtbar. Nach den ersten 500 Metern muss sie schon gut durchnässt sein. Ich weiß es zwar noch nicht, werde es aber noch am eigenen Leib spüren. Elsa, der Hund von Christian Gjefsjø stromert herum und ich sage aus Spaß zu Sophie, dass er bestimmt bei ihr bleibt und sie begleitet.

Christian bringt Gäste weg und will noch einkaufen gehen. Es wird spät abends bis er wieder auf der Farm ist. Unser Ruhetag beginnt und wir sind fast alleine auf dem riesigen Hof. Nur einige Angler bereiten sich noch vor.

Gegen Mittag fällt mir dann doch auf, dass der Hund gar nicht herumturnt. Sie ist ein Border Collie und sehr agil. Er wird doch nicht…? So gegen 22 Uhr kommt Christian zu uns und sagt „We have a problem!“ und Sophie fragt, wie wir helfen können. Er zeigt uns eine E-Mail, die ihm Els über ihren Notfallsender geschickt hat. Sein Hund ist tatsächlich bei ihr. 15 Kilometer entfernt hat sie ihr Zelt aufgestellt. Wenn sie ihn mitnimmt in die nächste Stadt, wäre das ein über 100 Kilometer langer Weg für ihn. Er hat ja auch noch Gäste hier und seinen Hof.

Meine Entscheidung ist schnell getroffen. Trotzdem überlege ich noch sehr lange wie und ob ich es auch wirklich tun soll. Aber seit dem Beginn meiner Reise und auch schon davor haben die Norweger alles für mich getan, damit ich meinen Traum erreichen kann. Soviel Gastfreundschaft hier in diesem Land und nun habe ich die Gelegenheit etwas zurückzugeben. Sophie schaut etwas besorgt und ist nicht begeistert, dass ich mich aufmachen will, um seinen Hund zurückzubringen. Es ist Mitternacht und dunkel durch die Regenwolken. Die Berge, über die ich muss, sind in Nebel eingehüllt. Zudem bedeutet das einen weiteren Pausentag für sie. Mein Entschluss steht aber und ich packe meinen Rucksack. Ich will leicht unterwegs sein. Es kommen nur Zelt, Schlafsack, warme Kleidung und ein bisschen Essen mit.

Halb eins in der Nacht ist es schon als ich endlich loslaufe. Einen Kilometer durch das nasse, hohe Gras bis zur Brücke. Ein Dachs kreuzt meinen Weg. Er verschwindet schnell im Unterholz. Nach dem Sumpf geht es bergauf durch ein dichtes Waldstück. Überall knackt es im Nebel. Viel Sicht habe ich nicht. Meine Stiefel sind jetzt schon total durchnässt. Aber heute ist es mir egal. Ich bin auf einer Search and Rescue Mission. Dieser Gedanke hilft mir dabei nicht wieder umzukehren. Es ist eine düstere Kulisse hier oben. Auch wenn die Baumgrenze nun unter mir liegt, durch den Nebel ist die Sicht nicht besonders gut. Der Kompass hilft die Spur zu halten. Es gibt nur wenige Orientierungspunkte hier oben. Eine kleine Herde Rentiere läuft vor mir her.

Es wird immer steiler und ich muss etwas nach unten. Es liegt noch Schnee in den Spalten. Und immer wieder kleine Bäche, die man zum Glück mit ein oder zwei Schritten queren kann. Langsam wird es heller, aber dafür steckte ich nun im Sumpf fest. Es kommen mir immer wieder Zweifel, ob ich das Richtige tue. Aber umkehren gibt es für mich nun nicht mehr.

Der Gebirgszug macht eine lange Kurve und nicht nur einmal denke ich, dass ich im Kreis laufe. Immer wieder der Blick auf den Kompass und die Karte. Auch der Untergrund wechselt ständig. Felsige, blockartige, glatte, rutschige und lose Steine machen mir das Laufen schwer. Ein ständiges auf und ab. Zum Glück habe ich die ganze Zeit Rückenwind. Am Ende geht es nochmal über einen kleinen Berg und nach einem weiteren Sumpf sehe ich diesen Fluss. Er ist ungefähr 8 bis 10 Meter breit und 1 Meter tief.

Er fließt in einen kleinen See und auf der anderen Seite genauso wieder heraus. Der Versuch ihn zu umgehen scheitert mal wieder im Sumpf. Lange überlege ich, ob ich einfach so durchgehen soll. Ich bin sowieso schon durchnässt. Da ich aber den gleichen Weg wieder zurück muss, ziehe ich lieber meine Stiefel und Hose aus. 7 Uhr ist es nun und es weht ein kalter Wind als ich bis zur Hüfte im Wasser stecke. Die Strömung ist stark und weil ich zu schnell vorwärts will, verliere ich fast das Gleichgewicht. Weil ich den See umgehen wollte, muss ich nach dem breiten Fluss noch einen kleinen Bach mit einer großen sumpfigen Wiese durchqueren. Das ganze laut schimpfend. Bis ich einen Schatten neben mir sehe und erschrecke. Elsa, der Hund, steht da und freut sich, mich zu sehen. Sie kennt mich schon vom Tag zuvor.

Der Hund ist total durchnässt und zittert vor Kälte, genauso wie ich. Laut GPS ist das Lager von Els nur noch 500 Meter entfernt. Soll ich es noch suchen? Ich spüre jetzt schon meine Füße nicht mehr. Erstmal ein Kvikk Lunsj zur Stärkung. Über sechs Stunde bin ich nun schon unterwegs. Der Gedanke hier mein Zelt aufzubauen und mich ein wenig zu wärmen ist verlockend, aber dann würde ich einschlafen und es würde zu lange dauern bis ich wieder zurück auf der Farm bin. Über das InReach Notfallgerät, das mir Cristian mitgegeben hat, schicke ich ihm eine Nachricht. „Found Dog“. Mehr kann ich mit den kalten Fingern nicht mehr schreiben. Wenn er die Nachricht bekommt, wird er Els bestimmt Bescheid geben.

Also entscheide ich mich dafür zurückzugehen. Nochmal durch den breiten, kalten Fluss. In der Mitte angekommen, drehe ich mich um, um zu sehen, was der Hund macht. Ich winke ihr zu und rufe sie zu mir. Sie läuft aber in die andere Richtung. In meinen Gedanken gehe ich schon wieder zurück, aber Elsa ist clever. In 20 Meter Entfernung liegen einige Steine im Wasser. Zu weit auseinander für mich, aber kein Problem für sie. Dabei habe ich Angst, dass die Strömung zu stark für sie ist, wenn sie schwimmen müsste. Hinter einem großen Felsbrocken suchen wir Schutz vor dem kalten Wind. Meine Hände sind eiskalt und es fällt mir schwer, meine Schuhe zu binden. Auch Elsa zittert in einer Tour. Wir müssen los und uns langsam warmlaufen.

Elsa bleibt immer in einem 50 Meter Radius um mich herum. Am Anfang rufe ich sie ständig zu mir, weil ich nicht will, dass sie verloren geht, aber irgendwann merke ich, dass ich das gar nicht muss. Ab und zu suche ich sie noch und rufe, um dann festzustellen das sie schon einige Meter vor mir sitzt und auf mich wartet. Nach dem Motto, wo bleibst du denn, komm schon.

Langsam wird es Mittag und die Sonne kommt heraus. Seit Tagen mal wieder ein schöner Tag und ich kann die Landschaft bei blauem Himmel genießen. Die Überquerung der Bäche wird jetzt auch leichter, weil Elsa immer die besten Stellen findet um darüber zu kommen.

Zweimal müssen wir aber noch einen kleinen Umweg machen. Denn wenn sie Rentiere sieht, ist sie weg. Da hilft auch kein Rufen mehr. Es dauert einige Minuten bis sie wieder zurück ist. Ab jetzt also mit Leine. Dadurch werden wir langsamer und oft bleiben wir an dem Gestrüpp hängen. Aber ich will sie jetzt nicht verlieren.

Meine Kräfte schwinden langsam. Es gab auch fast keine Pause für mich. Nur ein paar Nüsse beim Laufen. Auf dem letzten Berg vor dem Ziel setze ich mich dann doch für einige Minuten hin. Die Aussicht ist zu schön und ich belohne mich damit ein bisschen. Wir sitzen hier zu zweit und schauen auf den Gjevsjøen See und auch die Farm von Christian können wir schon sehen.

Fünf Kilometer sind es nur noch. Den Berg hinunter durch einen dichten Wald und den tiefen Sumpf. Der Weg nach unten ist sehr steil und überall liegen umgefallene Baumstämme und Wurzeln herum. Plötzlich höre ich Geräusche von einem Helikopter. Er fliegt direkt über mir in die Richtung, aus der wir kommen. Er wird doch nicht nach uns suchen? Zu diesem Zeitpunkt stehe ich mitten im Birkenwald und es ist unmöglich, dass sie mich sehen.

Nur noch zwei Kilometer durch den knöcheltiefen Sumpf. Elsa wird nun schneller. Anscheinend kennt sie sich hier wieder aus. Nur über die Brücke traut sie sich nicht so richtig. Da muss ich ihr gut zureden. Noch ein paar Meter und wir sehen die Farm. Die Leine braucht sie nun nicht mehr und rennt los. Zu meinen Erstaunen bleibt sie aber nach ein paar Metern stehen und wartet auf mich. Wir haben es tatsächlich geschafft! Vor der Haustür von Christian breche ich fast zusammen vor Erschöpfung. Kein Wort kommt aus meinem Mund, weil ich viel zu wenig getrunken habe. Aber alle sind froh, dass wir wieder hier sind.

Erstmal in trockene Kleidung springen und dann gibt es etwas zu Essen für mich. Eigentlich bin ich total übermüdet nach den über 30 Kilometern und fast 14 Stunden, die ich gebraucht habe. Schlafen kann ich dennoch nicht vor lauter Adrenalin. Was für ein Tag für mich und alle, die sich in dieser Zeit Sorgen gemacht haben. Denn die Nachricht, die ich geschickt habe, kam leider nie an.

Am Ende weiß ich aber, dass es sich gut anfühlt, diese Entscheidung getroffen zu haben.