Ich wache heute morgen mal wieder vom Regen auf. Der Wetterbericht auf Yr.no ist total für die Tonne im Moment. Es sollte gestern den ganzen Tag trocken sein und heute auch. Aus dem Zelt gegenüber höre ich ein Stöhnen – nicht schon wieder Regen! Wir warten den Schauer ab, damit wir im Trockenen packen können. Gegen 11 Uhr geht’s dann los, das kurze Stück über die Wiese und durch den Wald zurück zur Straße. Bald kommt die Sonne raus und vertreibt ein paar der dunklen Wolken. Schon besser! Dann gibt es heute das Gegen-Foto zu gestern morgen mit Sonnen-Lachen und viel glücklicheren Gesichtern. Auch wenn genau in dem Moment wieder ein Sprühregen einsetzt.

Ich habe noch nicht genug von der Straße, ich entspanne quasi beim Gehen. Und außerdem habe ich später wieder ein paar Querfeldein-Kilometer vor mir. Die sorgen für ein bisschen Abwechslung. Die Straße führt nämlich weiter nach Schweden und erst nach ungefähr 8 Kilometern ist man wieder in Norwegen. Das passt nicht in meinen Plan. Also biege ich vor der Grenze ab und gehe auf norwegischer Seite daran entlang. Hoffentlich klappt das, das Gelände sieht nicht so schwierig aus. Und ich habe Route und Bericht von Susanne und Anders mit Hund Mons, die 2018 denselben Weg gegangen sind. Mit ihrer Route muss ich nur ein bisschen aufpassen, da es 2018 so super trocken war. Sie hatten keinerlei Probleme mit Sumpf oder viel Wasser in Flüssen und Bächen.

Wir gehen weiter die Straße entlang, unser erstes Ziel ist Kvelia. Da hinten um die Kurve und schon sind wir da.

Erst machen wir aber noch Halt an einem kleinen Rastplatz und verarzten beide unsere Füße. Ich habe schon seit ein paar Tagen am rechten „Ringzeh“ einen Riss. Vielleicht von ständig nassen und aufgeweichten Füßen, irgendwo angehauen bin ich eigentlich nicht. Beim Laufen habe ich gerade einen plötzlichen Stich und Schmerzen an der Stelle gespürt und konnte nur noch weiter humpeln. Nachdem ich die Stelle polstere und abklebe, geht es zum Glück schon viel besser.

In Kvelia gibt es einen kleinen Supermarkt mit Café. Dort wird wohl jeder Norge på langs Läufer zum Kaffee eingeladen und bekommt ein paar Woll-Einlegesohlen geschenkt, für warme Füße im Norden. Kurz vorher kommen wir aber noch an einem schönen, kleinen Rastplatz neben der Straße vorbei. Sogar mit Dusche. Da waschen wir zumindest eben nochmal Gesicht und Hände.

Wir kaufen ein bisschen ein und werden dann tatsächlich von Roland zu Kaffee und Tee eingeladen. Dazu gibt es gerade gekaufte Zimtschnecken. Die Einlegesohlen sind handgemacht von ihm, da freuen wir uns sehr drüber! Gerade in dieser Region ist man wohl sehr großzügig gegenüber NPLern. Gestern das kostenlose Buffet, heute Getränke und Einlegesohlen. Außerdem wusste Roland schon, dass wir kommen. Jemand hat uns beim Vorbeifahren auf der Straße gesehen und uns angekündigt.

Uns wird auch noch eine kostenlose Übernachtung in der kleinen Holzhütte nebenan angeboten. Wir sind aber gerade mal 6 Kilometer gelaufen und möchten noch weiter. Also bedanken wir uns für alles und machen uns wieder auf. Es sind nochmal ungefähr 5 Kilometer bis zur schwedischen Grenze. Ein paar Kilometer vorher gibt es Überwachungskameras, an der Grenze selber ist aber nichts. Nur dieses Schild.

Nicht, dass ich jetzt zu weit gehe. Das ist schließlich eines meiner Ziele – komplett in Norwegen zu bleiben. Also verabschieden Markus und ich uns hier, wir sehen uns morgen oder spätestens übermorgen wieder. Er geht die Straße weiter über Schweden, während ich nach links in den Wald abbiege.

Dann bin ich mal gespannt. Ich schaue ständig auf mein Handy, um sicherzugehen, dass ich auf der norwegischen Seite der Grenze bleibe. Wer mich kennt, weiß, dass mich das ansonsten echt nerven würde. Das nehme ich ziemlich genau. Ist ja meine Wanderung, das kann ich also machen, wie ich will 🙂

Ich überquere eine nasse Wiese und gehe bergauf zwischen ein paar Bäumen hindurch. Bald komme ich an einen kleinen Bach, der in einer steilen Schlucht fließt. Nicht so tief und auch nicht viel Wasser, aber da muss ich erst noch ein Stück weitergehen bevor ich da durchkomme. Auf der anderen Seite sehe ich einen Pfad und auch Grenzmarkierungen, da will ich hin. Ich hatte mich schon gefragt, ob es einen Pfad gibt, auf dem Blog von Susanne und Anders stand etwas von einem markierten Weg, das war vor 4 Jahren. Die Leute im Supermarkt vorhin konnten mir da nichts zu sagen. Sie haben mich verständnislos angeschaut und gefragt, wieso ich denn hierher gehen wolle, wenn ich einfach der Straße durch Schweden folgen könnte. Das finde ich etwas schade, dass Leute so reagieren, nur weil man etwas anders macht als die Mehrheit der Wanderer. Naja, muss ja niemand gut finden außer mir.

Ich stehe jedenfalls jetzt auf dem Pfad und die Holzstäbe als Grenzmarkierung machen mir die Orientierung leicht. Dann brauche ich mein Handy auch nicht mehr. Eventuell verläuft die Grenze auf der Karte zwar nicht haargenau so, wie die Markierungen hier stehen, aber an die werde ich mich jetzt halten. Ich bleibe immer schön auf dieser Seite und gehe von Grenzstab zu Grenzstab. Manchmal etwas neben dem Pfad, da dieser auch mal auf die schwedische Seite wechselt. Das sieht ganz lustig aus beim Blick zurück. Die ganze Grenze entlang wurden wohl alle Bäume gefällt, die Schneise ist gut erkennbar.

Nach dem ersten Anstieg komme ich zu einer größeren Grenzmarkierung. Einem gelb angemalten Steinhaufen, der auf der Karte als „Lindalsrøysa Rr 194 A“ gekennzeichnet ist.

Es geht runter und wieder hoch. Der Weg ist wunderschön und ich habe eine super Aussicht auf die schwedische Seite. Es ist zwar immer wieder nass und sumpfig unter mir, aber das stört mich kaum. Ich schaue mich begeistert in der Landschaft um.

Ich laufe direkt auf das Portfjellet zu. Durch den schmalen Sattel zwischen den Felsen führt der Pfad. Von weitem noch kaum vorstellbar.

Wie praktisch, dass der Grenzstreifen baumfrei ist, das macht es einfacher zum Gehen. Es geht zwischen den Bäumen über die Wiese und über kleine Bäche.

Hier die Aussicht auf das Nachbarland.

Zum Sattel geht es dann wieder steiler hinauf und weg von der Grenze. Ich bin froh, dass der Pfad hier durchführt und so gut sichtbar und markiert ist. So komme ich zügig voran und habe mehr Zeit, mich umzuschauen.

Auf dem Weg sehe ich, dass über mir, auf dem rechten Gipfel auch noch ein großer, gelber Steinturm steht. Laut Karte der „Portfjellsrøysa Rr 195“.

Auf der anderen Seite geht es durch den Wald hinab, bis der Pfad in der sumpfigen Wiese verschwindet.

Okay, hier finde ich mich auch so zurecht. Ich muss einfach das Portfjelldalen durchgehen bis ich bei Rydningsætra auf eine Straße stoße. Das sind nur 3 bis 4 Kilometer. Sumpf, blühende Wiesen und Bäume wechseln sich ab. Später werden die Bäume dichter und der Boden ist hoch bewachsen. Das mag ich nicht so gerne. Über ein paar Bäche und dann ist es fast geschafft.

Nur noch ein Stückchen weiter runter und irgendwo in diesem Wald sollte ich auf die Schotterstraße stoßen.

Geshafft! Super, das war echt schön. Auch wenn der Weg auf keiner Karte eingezeichnet ist und man keine Infos darüber findet, ich kann ihn echt empfehlen. Falls jemand keine Lust hat, der Straße über Schweden zu folgen, ist das hier bestimmt die spannendere Wahl.

Ich folge der Straße noch ein Stückchen Richtung Langtjønna. Vielleicht finde ich an dem See einen schönen Zeltplatz. Markus ist schon ein ganzes Stück weiter, aber da ich ja noch 2 Tage bis Røyrvik habe, tue ich mir die Ruhe an und werde daraus 3 mal 20 Kilometer machen.

Auf der sumpfigen Wiese zum See runter sehe ich weiter hinten irgendetwas aus Holz stehen. Ein großer Stuhl. Und daneben ist der Boden relativ trocken. Na, dann baue ich mein Zelt doch direkt hier auf. Ein bisschen Wasser habe ich noch und vielleicht habe ich hier mehr Ruhe vor den Mücken als unten am See.

Das ist allerdings nicht der Fall und ich verkrieche mich doch recht schnell im Innenzelt und esse dort.


20,3 km
4:45 h
495 hm
675 hm
709 m