Ich traue mich kaum, mich auf meiner Luftmatratze zu bewegen. Morgens knallt sie ein weiteres Mal und der Ballon unter meinen Füßen wird immer größer und meine Liegefläche kleiner. Ich habe schon geschaut, dass ich die nächsten Nächte zur Not in Hütten schlafen kann. Eine Woche muss ich ungefähr noch rumkriegen, bis ich meine neue Matte bekomme.
Morgens wache ich auf und öffne als erstes mein Zelt. Schön, mit so einer super Aussicht wach zu werden. Ich trinke einen Kakao, packe in Ruhe und gegen halb 9 geht’s an den restlichen Abstieg.
Mir kommt eine polnische Familie entgegen und sie fragen mich, ob sie mit ihrer Tochter wohl bis zum Gletscher kommen. Die Kleine ist vielleicht 4 Jahre alt und stapft in ihren rosa Gummistiefeln den Berg hoch. Das schaffen sie schon.
Auf dem Weg runter ist es zwischendurch ziemlich schlammig und rutschig. Ganz schön blöd. Da muss ich echt aufpassen, nicht abzurutschen. Am Parkplatz geht es für ein kurzes Stück über die Schotterstraße und als ich beim Gehen noch eben eine Nachricht beantworte und nur auf mein Handy schaue, verpasse ich glatt den Abzweig des Wanderweges. Ich merke es aber recht schnell und gehe einfach querfeldein zur nächsten Markierung, die ich sehe. Natürlich durch den tiefsten Sumpf. Später meint Markus, dass dort ein großes Schild „Umbukta“ gestanden hätte, das man eigentlich gar nicht übersehen könne. Tja, so ist das, wenn man nur nach unten schaut. Solange ich noch Empfang habe, schaue ich auch noch eben nach der Speisekarte und den Öffnungszeiten des Cafés in Umbukta. Dann kann ich mich schonmal auf das Essen später freuen. Solange ich vor 18 Uhr da bin. Aber das sollte locker passen.
Heute laufe ich fast den ganzen Tag mit Musik in den Ohren. Das mache ich selten, aber es hilft mir, dass die Zeit schneller umgeht. Heute möchte ich einfach nur ankommen. Es ist super windig und kalt. Aber wenigstens zeigt sich die Sonne zwischendurch und bis mittags ist noch ein bisschen blau am Himmel zu sehen.
Über nasse und matschige Wiesen und an vielen Tümpeln vorbei, geht es langsam hinauf ins Storskardet.
Zwischendurch habe ich immer noch einen schönen Blick zurück auf das Okstindan-Massiv und ein paar höher gelegene Gletscher.
Oben gehe ich über diese weite Ebene am Storskardbekken entlang.
Rechts von mir hohe Felswände.
Der Weg ist schön. Auch wenn der Boden nass ist, das gehört inzwischen dazu. Vielleicht bilden sich bis zum Ende der Tour ja noch Schwimmhäute zwischen meinen Zehen?
Bald kann ich den großen See Storakersvatnet vor mir sehen. Mit Regenbogen. Inzwischen regnet es immer mal wieder ein bisschen. Ich gehe nördlich um das Gresfjellet herum, rechts die Berge, links der See.
Diese Landschaft gefällt mir noch besser. Ich kann nun immer wieder über große Felsplatten laufen. Ich suche mir auch einen schönen Pausenplatz, halte es aber nur ein paar Minuten aus. Es ist viel zu kalt und ungemütlich mit dem Wind. Also gibt es nur ein paar Nüsse und dann geht’s weiter.
Ich komme an der Grasfjellkoia vorbei, einer kleinen Nothütte. Der Ofen ist noch warm, hier muss schon jemand da gewesen sein heute. Aber jetzt habe ich irgendwie keine Lust mehr auf Pause. Jetzt will ich den Rest einfach hinter mich bringen und dann in trockene Sachen schlüpfen. Es geht ein Stück durch den Wald und dann wieder über die Baumgrenze. Am Berg Skukken und dahinter ganz nah an der schwedischen Grenze vorbei. Jedenfalls laut Karte, Grenzsteine oder andere Markierungen kann ich nicht entdecken. Oder sie sind hinter einem der Hügel versteckt. Der Wind ist hier echt stark und ich sehe zu, dass ich schnell wieder ein Stück runtergehe. Um den Berg da hinten geht es noch herum und hinter dem See rechts liegt Umbukta.
An Endspurt ist allerdings nicht zu denken. Der Pfad wird immer schlammiger. Ich rutsche ein paar mal weg und kann mich nur so gerade noch auf den Beinen halten. Das macht nicht so viel Spaß. Es geht runter und wieder hoch. Am Hang des Rundfjellets entlang. Und natürlich muss es ja noch passieren, hier lande ich im Matsch. Ich bleibe kurz sitzen, bevor ich irgendwie ziemlich umständlich versuche aufzustehen. Der große, schwere Rucksack ist da nicht hilfreich.
Der Wald wird lichter und schließlich geht es statt auf matschigen Pfaden über sumpfige Wiesen weiter. Vor mir entdecke ich 2 Leute. Ach, vielleicht ist das ja das deutsche Pärchen, von dem mir gestern schon erzählt wurde. Ich hole auf und spreche sie auf Englisch an – wie jeden hier. Wir unterhalten uns eine Weile, bis ich dann frage, wo sie her seien. Dann reden wir auf deutsch weiter. Es sind Heike und Christoph aus Stuttgart. Sie sind seit 10 Tagen unterwegs und wollen auch nach Umbukta. Dann sehen wir uns ja später noch. Das Ziel ist schon in Sicht auf der anderen Seite des Sees.
Auf den letzten großen, nassen Wiesen gibt es ein paar Holzplanken. Auch wenn ich schon komplett nass bin, kann ich darauf ein bisschen schneller gehen. Bis ich dann irgendwann an einem Parkplatz rauskomme. Endlich. Nur noch ein kleines Stück die Straße entlang und dann stehe ich vor der Umbukta Fjellstue.
Drinnen werde ich direkt gefragt, ob ich Norge på langs laufe. Dann dürfe ich normalerweise eine Nacht kostenlos hier schlafen. Es gäbe extra eine kleine Hütte für NPLer. Der Besitzer hat selber schon zweimal das Land durchquert, im Sommer und im Winter. Allerdings sei schon jemand dort, deswegen müsse ich dann doch ein Zimmer nehmen für 70 €. Das ist ja mal ein Sprung. Naja, egal, dann halt das Zimmer. Ich bringe meine Sachen weg, ziehe die nassen Schuhe aus und mache mich direkt wieder auf den Weg zur Stube. Da kommt gerade Markus aus dem Zimmer neben meinem. Dann hat er sich wohl doch für den Pausentag hier entschieden. Er hatte sich auch schon drum gekümmert, dass wir für heute Nacht ein 2-Bett-Zimmer haben, er wusste ja, dass ich komme. Ach super, dann sparen wir jeder 20 €. Da ich bei mir im Zimmer noch keine Unordnung gemacht habe, darf ich auch zum Glück einfach das Zimmer wechseln. Und dann wird gegessen. Fleischlos ist hier schwierig, bis auf Pommes. Also esse ich einen Burger mit Pommes und danach gönne ich mir noch eine Waffel und einen Kakao. Das schmeckt und tut gut!
Danach lege ich mich früh ins Bett. Obwohl ich vorgestern ja erst einen Pausentag hatte, schmerzen meine Beine und Füße heute. Mal schauen, wie es mir morgen früh geht. Aber im Moment bin ich so fertig, dass ich morgen eventuell erstmal ausschlafen und dann nur einen kurzen Tag bis zur Sauvasshytta machen will. Frühstück lasse ich aus, da es nicht mal für Vegetarier geeignet sei. Aber um 11 Uhr öffnet das Café wieder und es wäre schon verlockend, noch was zu essen, bevor ich weitergehe. Mal sehen…
Inge&Hacky Buchner-Lohmann, Dortmund
Hey Sophie,
Toll, daß (und: wie!!) du uns an deinen Erlebnissen teilhaben lässt! Vielen Dank dafür! auch an Markus! Bei uns kommen die „Wow“-Momente unserer Norwegentouren dabei wieder vor Augen, als wäre es gestern gewesen. Dabei ist das über 30 Jahre her! Wir sind das ganze zwar nicht so kernig angegangen wie du, sondern mit PKW und kleinem Zelt (Sandalenwanderer halt! / aber nicht FlipFlops, an denen wir lange überall die Engländer erkennen konnten!). Wir haben aber auch einen unvergesslichen Eindruck von dieser gigantischen Landschaft gewinnen können!
Handy, GPS und Internet gab´s damals noch nicht. Für die Reiseplanung hatten wir ein Set vom ADAC mit Karten und Infos und ein paar Reiseführer. Ich glaube aber, wir haben schon einige der schönsten Flecken dabei entdecken können, soweit 3 Wochen Urlaub das ermöglichen.
Wir sind 1991 auch in Kristiansand gestartet. Dann über Lidesnes ein Stück Südküste, über’s Sirdalen zum Setesdalen und zur Hardangervidda. Wir hatten gelesen, daß es da ein Sommerskigebiet gab. In einer Serpentinenkehre der Auffahrt fanden wir dann schonmal den Skiverleih mit 2 Paar Ski auf dem Ständer:
Und 2 Kehren weiter dann auch das „Skigebiet“:
Sogar mit richtigen Pistenraupen! Probiert haben wir es dann aber nicht.
Dann rüber Richtung Bergen, mit Fähren durch Fjorde und von Insel zu Insel.
Einmal machte die Fähre auf halbem Wege kehrt und fuhr wieder zum Ausgangs-Anleger. Als dann ein Krankenwegen auf die Fähre kam, ging es dafür aber mit Vollgas wieder in die richtige Richtung los!
Im Naeroyfjord hörten wir Gewitter kommen. Erst als sich das Geräusch auch nach Stunden nicht änderte begriffen wir, daß das der Wasserfall war, der trotz 200m Fallhöhe in der 1000m Wand winzig aussah.
Als wir am nächsten Tag mit der Fähre weiterfuhren, lag das Wasser spiegelblank. Selbst hintem Schiff spiegelte es noch obwohl unsere Bugwelle darüber glitt:
Am Nigardsbreen, einer Seitenzunge des Jostedalsbreen haben wir im Auslauf des Sees gebadet, dessen Wasser frisch aus dem Gletscher kam. Sekunden reichten, und wir waren wieder topfit! Heute bevorzugen wir wärmeres Wasser!
Auf Jurrashö waren wir gefahren in der Hoffnung auf einen tollen Ausblick, fanden stattdessen ein Skigebiet das schon nahezu alpinen Verhältnissen entsprach. Da schon fast Feierabend war, haben wir aber keine Ski mehr geliehen, sondern sind nur einmal auf der Regenjacke runtergerodelt.
Bis Trondheim sind wir gekommen, konnten den Dom aber nur von außen sehen, weil gerade ein Konzert für den Abend vorbereitet wurde.
Als wir auf dem Rückweg in einer urigen Hütte mit Grasdach Römmegröt und Spekemat probierten (wir fanden auch: muß nicht nochmal sein!), schaltete jemand den Fernseher ein, und am Ende der Sportnachrichten sehen wir die deutsche Bundesligatabelle! Wir dachten nur: dafür hätten wir nicht soweit fahren müssen!
In Olso campierten wir gegenüber der Stadt auf einem Berg. Da kam ein Bus mit einer Jugendgruppe. Einer kletterte sofort auf den Bus und schmiss das Gepäck herunter.
Das Gruppenzelt aus Holzstangen, die zusammengeknüpfte Planen trugen, war ruckzuck aufgebaut, aber dann gings an das Trainerzelt: ein ganz einfacher Gugelhupf! Aber bis jemand auf die Idee kam, die Stangen zu Bögen zu biegen, wurde eine halbe Stunde probiert, daraus ein Indianerzelt zu basteln. Als es dann stand, applaudierte der ganze Campingplatz und alle Stühle waren dahin ausgerichtet!
Bei unserer 2. Norwegentour 96 hatten wir schon unseren ersten Bulli und ein großes Zelt! Auf den Serpentinenstraßen waren wir immer froh, keinen breiteren Camper zu haben! Und mit dem Zelt hatten wir mehr Platz als in jedem Camper. Wir haben uns nicht für ein Vorzelt am Bus entschieden, damit der Bus immer frei ist für Tagestouren.
Wir grautlieren dir zu dem Mut, solche Projekte anzugehen und zu der Akribie, mit der du das alles vorbereitet hast! Egal, ob du bis zum Ziel gehst, oder irgendwann entschließt, den Mücken das Feld zu überlassen (beweisen mußt du dir ja sicherlich nichts mehr!): Die Erfahrungen und Erinnerungen werden dir ewig erhalten bleiben und dir immer die Kraft geben, alle Hürden im Leben zu meistern!
Und noch ein Tip: Wenn man keinen waagerechten Platz findet: Füße bergab ist kein Problem, nur mit Kopf bergab ist an Schlaf nicht zu denken! Bei unseren letzten 2v3 Bullis haben wir das Bett extra schräg eingebaut, so hatten wir am Fußende Sitzhöhe und am Kopfende mehr Stauraum unterm Bett.
Inge & Hacky