Mein Wecker klingelt um 6 Uhr. Da heute ja der einzige trockene und sonnige Tag in nächster Zeit werden soll, will ich das voll ausnutzen und früh losgehen. Markus ist auch dabei und steht früh auf. Ich schaue als erstes aus dem Fenster und freue mich über die tolle Aussicht. Die Berge um die Hütte herum sind alle sichtbar. Es ist zwar noch bewölkt, aber das klart bestimmt später auf. Mich zieht es raus und ich habe richtig Lust, direkt loszugehen. Aber erstmal noch Packen und Tee kochen. Es ist immer noch ziemlich frisch draußen. Dann geht es um 7 Uhr mit Mütze und Handschuhen bewaffnet endlich los.

Die Landschaft ist so schön. Genau nach meinem Geschmack, ganz felsig. Erst geht es noch ein Stückchen weiter hinauf. Und dann zwischen Saufjellet und Melkfjellet hinunter. Über Schnee, Bäche und Moos. Unterhalb eines großen Schneefeldes rutsche ich auf dem Moos zur Seite weg und lande mit meiner linken Seite genau auf einem schmalen Felsen. Aua! Schnell aufstehen und weitergehen, dann vergeht der Schmerz schon.

Das Melkfjellet versteckt sich noch in ein paar Wolkenschleiern. Ständig ändert sich die Sicht.

Da hinten kann man zwischen den Wolken zwischendurch noch mehr Berge erkennen. Das sieht gut aus.

Bald darauf ist endlich das erste Blau am Himmel zu sehen. Das wird schon noch heute.

Wir gehen nördlich um das Melkfjellet herum. Rechts von uns der Berg, links eine weite, grün-graue Ebene. Über ein paar Bäche und immer weiter hinab. Irgendwie scheint heute nicht mein Tag zu sein. Als ich auf einen großen Stein am Rand von einem der Bäche trete, kippt dieser nach vorne weg und ich mache eine Ausgleichbewegung nach hinten. Dabei lande ich mit dem Hintern im Wasser und mit dem rechten Ellenbogen auf einem anderen Stein.

Heute morgen fand ich es so super schön mit den ganzen Felsen. Jetzt habe ich irgendwie gerade einen Tiefpunkt und stapfe nur so vor mich hin. Es wird wieder matschiger und wir gehen durch viel kniehohes Gestrüpp. Meine Laune bessert sich aber zum Glück nach ein paar Kilometern wieder. Die Sonne hat inzwischen die meisten Wolken vertrieben und es ist richtig warm. Unten im Sandtjønndalen steigen wir über eine Leiter über den Rentierzaun und queren noch einen breiteren Bach. Dahinter verlieren wir den Pfad und gehen querfeldein in den Wald hoch, bis wir die Markierungen wiederfinden.

Dann geht es über die Baumgrenze hoch über Litlumfjellet und Nordumfjellet. Es ist herrlich. Und scheinbar kommt hier viel Sonne hin, denn ich entdecke die ersten reifen Blaubeeren. Na gut, sie könnten schon noch ein bisschen mehr Sonne vertragen, sie sind noch recht sauer. Aber ich freue mich trotzdem darüber. Und wir probieren auch die erste orangene Moltebeere. Zwar noch hell orange, aber schon weich und saftig. Der Geschmack erinnert allerdings eher an Gemüse statt an süße Beere. Mal sehen, ob sich das noch ändert, wenn sie ganz reif sind.

Ich laufe ein Stück vor, jetzt wieder mit einem Lächeln im Gesicht. Etwas weiter schaut mich ein einzelnes Rentier an und kommt dann auf mich zu. Normalerweise laufen sie weg. Rudolph macht einen Bogen und bleibt weiter rechts wieder stehen. Dann läuft er vor mir her nach links. Er traut sich wohl doch nicht ganz zu mir. Als Markus hinter mir auftaucht, verschwindet er.

Es ist so schön hier oben mit den grauen Felsbuckeln, die überall auf der Wiese verteilt sind.

Meine Haare haben inzwischen eine blöde Länge, sie hängen mir ständig in die Augen. Aber hier draußen stört es ja niemanden, wie man herumläuft. Rudolph fand das vorhin bestimmt richtig schick, hat aber Angst bekommen, als er gesehen hat, dass ich nicht alleine bin.

Über Felsen und sumpfige Wiesen, zwischen Seen und Tümpeln her, geht es wieder hinab in den Wald.

Wir wollen an der Hütte unten Pause machen. Bevor es in den Wald geht, überlegen wir zwar noch, lieber hier draußen auf einem Felsen Pause zu machen bei dem tollen Wetter, aber gerade jetzt kommen wir natürlich nicht mehr an Wasser vorbei. Und wir brauchen beide was zum Kochen. Also geht es doch weiter hinab. Im Wald wird es wieder richtig matschig und rutschig. Nur die letzten paar Meter zur Hütte kann man ganz komfortabel über Holzplanken laufen. Wobei das Holz stellenweise auch etwas rutschig ist.

Als wir ankommen, ist schon jemand da. Ein freiwilliger Mitarbeiter des DNT, der die Hütte gerade neu streicht. Das läuft hier ähnlich, wie im Deutschen Alpenverein. Die Leute machen das alles ehrenamtlich und halten die ganzen Hütten in Schuss. Er erzählt, dass die Hütte erst vor 4 Jahren gebaut wurde, sie ist super modern eingerichtet und sieht noch richtig neu aus. Er bietet uns direkt Kaffee an und das Wasser sollen wir einfach nehmen, er würde gleich neues holen am Fluss. Schön ist es in der Kvisteindalstunet. Und bei so einem Empfang gleich nochmal schöner.

Wir kochen und setzen uns zum Essen vor das Panoramafenster auf der Empore. Wir würden lieber draußen sitzen, aber da wimmelt es von Mücken. Hier lässt es sich auch gut aushalten.

Bis vor ein paar Jahren hätte man von hier auch noch den Wasserfall sehen können. Aber seit es nicht mehr so viele Bergbauernhöfe und grasende Tiere hier oben gäbe, würden die Bäume aus dem Boden sprießen. Vor 30 Jahren hätten hier nur vereinzelt Bäume gestanden.

Nach 2 Stunden Pause machen wir uns um kurz nach 15 Uhr wieder auf den Weg. Jetzt will ich in kurzen Sachen weitergehen, also sprühe ich mich gut mit Mückenschutzmittel ein. Über den ersten Fluss führt eine Brücke und dann geht es den restlichen Weg bergauf. Über glatte Felsen mit kleinen Seen in den Mulden und mit einem schönen Blick auf die Schneeberge hinter uns.

Wir laufen über die hügelige Wiese entlang des Flusses Kvepsendalselva. Auch wenn ich eigentlich noch weitergehen wollte bei dem schönen Wetter, wäre es auch schön, hier irgendwo das Zelt schon aufzustellen und noch ein bisschen in der Sonne zu liegen. Nach weiteren 2 Kilometern kommen wir ganz nah an den Fluss heran und ich finde den perfekten Zeltplatz. Hier bleiben wir. Direkt neben ein paar Felsen und dem Fluss gibt es ein trockenes Stück Wiese. Drumherum ist es schon wieder ganz nass und zu sumpfig.

Ich baue mein Zelt auf und will mich dann im Fluss abkühlen. Das Wasser ist echt kalt. Am schlimmsten ist, den Kopf unterzutauchen. Aber hinterher fühlt es sich so gut an. Ich kuschele mich in meine Schlafsachen und wir machen es uns auf den Felsen gemütlich. Erst jetzt merke ich, dass ich am linken Oberschenkel außen eine riesige blaue und aufgeschürfte Beule habe. Das war wohl von meinem ersten Sturz heute morgen.

Markus und ich tauschen wieder ein bisschen was zu essen, damit man mal einen anderen Geschmack hat zwischendurch. Auch wenn mir meine selbstgemachten Gerichte alle gut schmecken, mag ich gerade nicht. Also gibt es heute cremige Pasta. Und ich staube eine Packung Real Turmat Lachs-Pasta ab. Das hatte ich schon einmal und fand es richtig gut. Das will ich mir aufheben bis zum Polarkreis und dort zur Feier des Tages essen.

Als ich später im Zelt liege, rechne ich noch meine Gesamt-Kilometer zusammen und rechne aus, wie viele Tage es noch bis zum Polarkreis und bis nach Røkland zum Supermarkt sind, wo ich bei der Post meine neue Luftmatratze abholen kann. Heute versuche ich, nur auf meiner dünnen Schaumstoffmatte zu schlafen. Hoffentlich wird es nicht zu kalt.


23,6 km
6:40 h
683 hm
932 hm
1.096 m