Schlafen konnte ich gestern tagsüber komischerweise nicht, aber ich habe ja trotzdem ausgeruht. Und letzte Nacht habe ich super geschlafen. Das lag bestimmt auch mit an meiner neuen, bequemen Matte. Allerdings geht es mir immer noch nicht gut. Ein kleines bisschen besser, die Kopfschmerzen sind nicht mehr ganz so schlimm. Aber wahrscheinlich ist es keine gute Idee, schon weiterzugehen. Auch wenn es ja nur 16 Kilometer an der Straße sind. Eigentlich einfach – nur heute nicht. Hierbleiben möchte ich aber auch nicht. Für heute Nacht ist ein Unwetter mit starkem Regen und Gewitter angesagt. Dafür habe ich hier nicht den sichersten Platz.

Ich durchforste das Internet nach Alternativen. Bei AirBnb finde ich eine Hütte etwas den Berg hoch. Dann könnte ich auch was richtiges kochen. Ich schreibe die Vermieterin an, die Adresse bekommt man ja immer erst nach der Buchung. Und habe leider Pech, die Hütte befindet sich im nächsten Tal. Das wäre zu weit zu laufen. Sie will mir trotzdem helfen und bietet an, mich nach der Arbeit mit zu sich nach Hause zu nehmen. Dort könnte ich ein Zimmer für mich haben. Sie dachte allerdings, dass ich schon in Rognan sei. Sie wohnt nochmal eine halbe Stunde weiter. Auch zu weit. Ich könnte zu dem Café gehen, wo ich gestern auf dem Weg hierher dran vorbeigelaufen bin und fragen, ob ich mein Zelt dahinter aufstellen darf. Dann könnte ich mich zumindest nachts schnell unterstellen, wenn es zu heftig wird. Was anderes fällt mir jetzt auch nicht ein. Also ist das wahrscheinlich die beste Idee.

Ich packe alles zusammen und mache mich auf zum Café. Oder besser gesagt, einem Second-Hand-Laden mit Café in einer Ecke. Später finde ich heraus, dass das Kaleido der Stiftung Ribo gehört. Sie kümmern sich um junge Menschen, die keinen Schulabschluss haben, bieten Wohn- und Ausbildungsplätze und helfen den Menschen, sich im Arbeitsleben zurechtzufinden. Der Laden ist eine bunte Mischung aus neuen und gebrauchten Sachen und Kunsthandwerk.

Gut, dass ich nicht vorhatte, heute noch weiter zu gehen. Die nicht einmal 900 Meter waren super anstrengend. Man glaubt es kaum. Das ist dann heute wohl der kürzeste Wandertag aller Zeiten. Mein Kopf tut ununterbrochen weh und die Rückenschmerzen sind auch wieder da. Ich setze mich an einen der Tische und trinke einen Tee. Schade, dass man hier keinen Kräutertee bekommt. Selbst im Supermarkt habe ich keinen gefunden. Nur schwarzen und grünen Tee. Hier gibt es zumindest noch Apfel-Zimt, den nehme ich stattdessen. Norwegen ist echt kein Tee-Land.

Hunger habe ich keinen. Dabei gibt es auch Burger, Pommes, Baguettes und Kuchen. Ein älteres Ehepaar am Nachbartisch schaut immer wieder zu mir herüber. Irgendwann fragt der Mann mich, ob ich Englisch spreche. Ja. Weil ich Tee trinken würde. Achso. Ich stelle klar, dass ich zwar Englisch spreche, aber nicht aus England komme. Wie gesagt, Norwegen ist kein Tee-Land.

Nach einer Weile zieht es mich wieder raus an die frische Luft. Hier drinnen sind meine Kopfschmerzen nur noch schlimmer. Also frage ich den jungen Kerl an der Kasse, ob ich mein Zelt hinter dem Haus aufstellen dürfe. Na klar, das sei gar kein Problem. Wozu mache ich mir eigentlich Gedanken vorher? Er warnt mich noch vor den vorbeifahrenden Zügen, aber das stört mich nicht. Hauptsache ich habe einen sicheren Platz.

Ich baue mein Zelt direkt neben einem kleinen Schuppen auf. Dahinter die Bahngleise und auf der anderen Seite das große Haus. Hier stehe ich recht windgeschützt, das ist gut. Ein paar Meter weiter ist der großzügig überdachte Eingang, da kann ich mich unterstellen, falls Regen oder Gewitter zu stark sind und ich im Zelt Angst bekomme.

Dann gehe ich nochmal eben zum Supermarkt rüber. Mama hatte die Idee, dass ich einfach gefrorene Beeren lutschen könnte. Und Bonbons finde ich auch. Jedenfalls nach ein bisschen suchen. Die einzigen, die nicht quietschig bunt sind. Mein Hals tut morgens immer am meisten weh. Wenn ich dann was trinke und lutsche, ist es schnell besser. Für diese 3 Sachen zahle ich knapp 12 €. Das ist Norwegen…

Als ich wieder zurück am Zelt bin, hält etwas davor ein Auto und ein Mann steigt aus. Es ist einer der Angler, der mir den Fisch geschenkt hat. Was für eine kleine Welt. Er hätte mich vorhin an der Straße gesehen und wollte mal fragen, wie der Fisch war. Außerdem meint er, dass das Unwetter heute Nacht schon heftig werden könnte. So schlimm sei es sehr selten vorausgesagt hier. Mit gelber Starkregen- und Gewitter-Warnung. Aber mein Zeltplatz sei ganz gut. Kjell gibt mir vorsichtshalber seine Nummer. Wenn es zu schlimm wird, soll ich ihn anrufen und er holt mich ab. Dann könnte ich 4 Kilometer weiter bei ihm im Haus schlafen. Es sind einfach alle so nett und hilfsbereit!

Dann wird ausgeruht. Ich möchte so gerne morgen weitergehen.

Immer wieder prüfe ich den Wetterbericht. Der Himmel ist bisher blau und der angesagte Regen bleibt aus. Erst abends fängt es an zu tröpfeln. Aber nach Unwetter sieht das gar nicht aus. Inzwischen ist das Gewitter etwas nach hinten gerutscht auf 1 Uhr nachts. Schauen wir mal, was das gibt.


0,9 km
0:10 h
10 hm
9 hm
22 m