In den letzten Tagen vor der Abreise war ich schon ein bisschen aufgeregt. Das hat sich aber nun wieder gelegt. Ich freue mich einfach, jetzt wieder so viel draußen sein zu können, zu wandern und meinen Gedanken freien Lauf zu lassen.

Die Anreise gestern hat super geklappt und auch meine erste Unterkunft auf dem Alten Landgut Werdenich in Deutsch Jahrndorf war schön. Heute morgen bin ich schon um kurz nach 4 Uhr wach, als es beginnt, hell zu werden. Ich schlafe aber dann doch nochmal ein und schrecke um 6 Uhr wieder auf, als die Kirchenglocken direkt nebenan den Tag einläuten. Ich genieße nochmal eine Dusche, die zum Luxus werden wird, sobald ich in die Berge komme. Sachen gepackt, Schuhe geschnürt und los geht’s zum Startpunkt meiner Wanderung.

Das erste kleine Abenteuer erwartet mich schon kurze Zeit später. Zum Dreiländereck und östlichsten Punkt Österreichs sind es ungefähr 4 Kilometer. Diese führen über eine lange, gerade Straße mit Feldern soweit man blicken kann zu beiden Seiten. Laut meiner Karte geht es dann irgendwann links ab und das letzte Stück über einen Feldweg. Als ich die Straße entlang laufe, sehe ich schon von weitem, dass sie weiter hinten abgesperrt ist. Das wird wohl der Übergang nach Ungarn sein. Mit dem Auto kommt man da nicht durch und es ist ein Zettel angebracht mit den Worten „Grenzübergang geschlossen“.

Ich überlege, ob ich trotzdem einfach rüber gehen kann, da der Feldweg zum Grenzstein direkt hinter der Absperrung links abgeht. Ich bin auch nicht sicher, zu welchem Land der Weg noch gehört, da das ungarische Grenzschild erst ein ganzes Stück weiter steht. Ich mache aber erstmal noch ein paar Fotos am österreichischen Schild.

Dann höre ich ein Auto auf der anderen Seite näher kommen. Ich wundere mich, da das hier eine Sackgasse ist und ich auch bisher niemandem begegnet bin. Vielleicht will da noch jemand zum Grenzstein, denke ich. Falsch gedacht. Das Auto wendet vor der Absperrung, hält an und es steigen zwei ungarische Soldaten aus. Da wurde ich wohl beobachtet. Ich gehe trotzdem durch die Absperrung und der eine schüttelt direkt heftig mit dem Kopf. Ich zeige in Richtung Grenzstein und bekomme als Antwort einen weiten Bogen gezeigt in die Richtung aus der ich komme. Dann mischt sich aber der andere Soldat ein und fragt ob ich Englisch spreche und ob ich zum Grenzstein möchte – dann könne ich ruhig den Feldweg nehmen. Ich solle bloß nicht nach Ungarn rüber gehen. Sehr gut, ich bedanke mich und bin froh, dass ich nicht wieder umdrehen muss. Ansonsten kommt man nämlich nur über die Slowakei zum Grenzstein oder querfeldein, wenn man in Österreich bleiben möchte. Ich sage zu den Soldaten, dass sie sich keine Sorgen machen brauchen, da ich Österreich durchqueren möchte. Weiter geht’s die letzten Meter scheinbar genau auf der Grenze.

So sieht’s aus am Dreiländereck Österreich, Slowakei (Slovensko), Ungarn (Magyarország). Mehrere kleine und ein großer Grenzstein mit Skulpturenpark, der aus ein paar Steinskulpturen drumherum besteht. Außerdem steht hier ein dreieckiger Tisch mit einem Länderwappen auf jeder Seite, der für ein friedliches Miteinander steht.

Hier geht es nun richtig los. Hier fällt mein Startschuss für 3 Monate quer durch Österreich. Ich lege meine Hand auf den dreieckigen Grenzstein und blicke nach Westen. Und los…

Da man auf slowakischer Seite scheinbar auch nicht hergehen darf, wie das Schild sagt, gehe ich denselben Weg zurück, den ich gekommen bin.

Das war wahrscheinlich auch die richtige Entscheidung, da die beiden Soldaten auf mich gewartet haben. Wir wünschen uns noch einen schönen Tag, ich gehe durch die Absperrung zurück auf österreichischen Boden und folge wieder der Straße nach Deutsch Jahrndorf. Die Landschaft hier erinnert mich stark an die erste Zeit meiner Deutschland-Wanderung oben im flachen Norden. Plattes Land, unendlich lange, gerade Straßen, Asphalt statt Wanderwege. Und dazu dann noch blauer Himmel mit knallender Sonne und heißer Luft, die über der Straße flimmert. Schatten habe ich heute wenig, das hier ist eine kurze Ausnahme.

Immer wieder beobachte ich Hasen dabei, wie sie über die Felder rechts und links jagen oder auch über die Straße vor mir hoppeln. Ich habe noch nie so große Hasen gesehen.

Den Weg von Deutsch Jahrndorf nach Pama kenne ich schon von gestern, da ich in Pama mit dem Zug angekommen bin. Die erste Pause gibt es dazwischen an der Wallfahrtskapelle Zeiselhof. Ich lüfte meine Füße, die in meinen Bergstiefeln ordentlich heiß werden. Ich werde auf jeden Fall besser auf meine Füße achtgeben als bei meiner Deutschland-Wanderung. Bilder wie in diesem Beitrag soll es nicht mehr geben. In den Pausen lasse ich Luft an die Füße, abends werden sie eingecremt und sobald ich eine Druckstelle bemerke, kommt Tape drüber. Außerdem lasse ich die ersten Tage langsam angehen, um meine Füße wieder an die Belastung zu gewöhnen. Das Gewicht meines Rucksacks kann ich auch sehr gut tragen. Mein Rucksack sitzt so gut, dass ich das Gewicht auf den Hüften trage und meine Schultern nicht belastet werden. Das macht eine ganze Menge aus.

In Pama mache ich Mittagspause und genieße eines meiner selbstgemachten Gerichte – Couscous mit Linsen und Spinat. In den kleinen Ortschaften stehen praktischerweise immer wieder überdachte Picknickbänke, sodass ich der Sonne ein bisschen entfliehen kann.

Ich folge heute ein Stück dem Österreichischen Weitwanderweg 07, auch Grenzlandweg, dem Europäischen Fernwanderweg E4 und dem Jakobsweg Budapest-Wolfsthal. Andere Wanderer treffe ich allerdings nicht. Aber bei Radfahrern ist diese Gegend wohl beliebt, es überholen mich ziemlich viele. In Pama lasse ich dann endlich die Straße hinter mir und gehe auf einem breiten Schotterweg zwischen den Feldern weiter. Das ist eine ganz schöne Farbenpracht, zwischen den grünen Feldern ist immer wieder ein gelbes Raps – oder rotes Mohnblumenfeld.

Da ich sehr gut in der Zeit liege, mache ich auf einer Bank im Schatten noch eine lange Pause. Es ist erst 15 Uhr und nur noch eine halbe Stunde bis zu meiner nächsten Unterkunft in Deutsch Haslau. Dort hatte ich mich erst gegen 18 Uhr angekündigt. Also strecke ich die Beine aus, höre mein Hörspiel weiter und schaue in den Himmel. Mir fällt schon seit heute morgen auf, dass sich hier alle anlächeln und immer freundlich grüßen. So ist das auf dem Land und hier in den kleinen Dörfern kennt wahrscheinlich auch jeder jeden. Aus Oberstdorf bin ich das gewohnt, aber in Dortmund ist das doch eher selten.

Neben der Bank, die ich mir ausgesucht habe, steht ein großes Holzkreuz. Dies scheint ein wichtiger Ort für die Dorfbewohner zu sein. Der ehemalige Pfarrer kommt mit seiner Familie und zündet eine Kerze vor dem Kreuz an. Er meint, dies wäre ein magischer Ort. Eine ältere Frau auf dem Fahrrad, die mich eine halbe Stunde vorher auf ihrem Hinweg schon angestrahlt hatte, bleibt auf dem Rückweg stehen und setzt sich wie selbstverständlich zu mir. Und zwar nicht neben mich auf die Bank, sondern vor mich ins Gras. Als ob sie das mit ihren über 70 Jahren noch ständig machen würde. Finde ich super! Wir quatschen eine halbe Stunde über alles mögliche – Wandern, Familie, Technik, Backen, Natur. Ich verstehe zwar nicht jedes Wort, sie hat einen ziemlich starken Dialekt, aber es ist super nett. Sie ist der Ansicht, dass man beim Solo-Wandern oder wenn man so alleine draußen ist, niemals einsam sei. Man hätte mit der Natur, den Pflanzen und Tieren ja ganz viele Lebewesen um sich herum mit denen man verbunden sei.

Um kurz nach 17 Uhr komme ich beim Gasthof Hoffmann an und beziehe mein Gästezimmer. Ich bin ganz froh, dass ich mich vorher schon um die ersten Unterkünfte gekümmert habe, da die Gasthöfe hier montags bis mittwochs wohl alle Ruhetage haben und ich dann gar keinen erreicht hätte. So konnte ich mich früh genug ankündigen.

Ich habe es mit viel Sonnencreme und zusätzlichen Schutz durch mein Langarmshirt, was ich mir heute Mittag über Schultern und Nacken gelegt hatte, geschafft, den ersten Tag nicht so stark zu verbrennen. Durch den leichten Wind, merkt man dann ja auch oft nicht, wie stark die Sonne doch ist. Aber es ist alles gut gegangen und ich habe mich vorhin mit einer kalten Dusche abgekühlt. Da das Bett in meinem Zimmer allerdings schon quietscht, wenn man es nur anschaut, habe ich meine Luftmatratze aufgepustet und liege jetzt mit dieser und meinem Schlafsack auf dem Boden. So weiß ich zumindest, dass ich gut schlafe.

Ich wünsche euch allen einen schönen Abend und freue mich morgen auf Tag 2!


19,5 km
4:00 h
44 hm
43 hm
159 m