Ich bin heute morgen ab 3 Uhr jede Stunde aufgewacht und habe mir weiter Gedanken um das Wetter gemacht. Draußen schüttet es. Das ist gut, bis ich losgehe kann es sich ruhig ausregnen. Um halb 5 klingelt dann mein Wecker. Mist, kein Empfang. Ich wollte doch als erstes nochmal in den Wetterbericht schauen. Und jetzt? Ich ziehe mich an und packe meine Sachen. Als ich die Treppe heruntergehe, habe ich das Gefühl alle Leute bis ins Tal runter zu wecken, so laut knarrt das Holz. Ich benutze extra unten das Bad, um nicht noch mehr Lärm zu machen. Unten sind nämlich Fliesen, da hört man mich, denke ich, nicht so sehr.
Hinter der Bar wartet noch eine Überraschung für mich. Babsi hat mir nicht nur alle Sachen für den Tee rausgestellt, sondern mir auch noch ein Stück von dem super leckeren Marillenkuchen hingestellt. Und einen Zettel hat sie mir auch dazu geschrieben. Das ist super lieb! Den Kuchen packe ich mir ein, dann habe ich später noch eine kleine Stärkung.
Ich trinke den Tee und beobachte den Himmel. Es sieht eigentlich ganz gut aus. Es hat aufgehört zu regnen und neben ein paar Wolken, die harmlos aussehen, ist der Himmel klar. Empfang habe ich aber immer noch nicht. Weshalb auch immer der heute morgen plötzlich verschwunden ist, gestern Abend klappte das noch gut.
Um Viertel nach 5 habe ich meine Schuhe geschnürt und gehe los. Erstmal ein Stück weiter den Berg hoch und nach ein paar Minuten habe ich auch wieder Empfang. Also nochmal die Wetterberichte prüfen. Alpenvereinswetter, ZAMG, Bergfex – dort bekommt man wahrscheinlich die besten Vorhersagen für die Berge. Jetzt gerade soll es gewittern, dann ab 13 Uhr wieder. Und ziemlich viel regnen. Das passt aber mal gar nicht zu dem Himmel über mir. Also beschließe ich eher auf die Wolken-Kenntnisse zu vertrauen, die ich inzwischen habe und mache mich an den Anstieg zum Hochkönig. Obwohl ich mich jetzt so entschieden habe, bin ich noch etwas unruhig und kann die Gedanken in meinem Kopf nicht ganz abschalten. War das die richtige Entscheidung? Zu viel Risiko? Deute ich die Wolken richtig? Soll ich doch besser umdrehen?
Ich gehe über Wiese und Wald aufwärts, es wird schnell felsiger. Die grauen Wolken ziehen weg von mir und sollten mir nicht in die Quere kommen. Dahinter geht die Sonne auf.
Bis zum Gamskarkogel geht es enge Kehren durch Latschen hinauf. Dann rechts am Hang entlang bis zu dem Sattel geradeaus. Der Weg ist richtig schön. Und auch das Licht und die Stimmung so früh am Morgen.
Zwischendurch zieht eine Wolke über mich hinweg, dann sehe ich nicht viel. Aber bald lasse ich die Wolken unter mir und habe größtenteils blauen Himmel über mir. Herrlich! Es ist angenehm zu gehen, nicht zu warm und zwischendurch ein bisschen erfrischender Wind.
Der Ausblick ist genial beim Blick zurück. Und auch die Wolken-Formationen sind ziemlich cool. Hier sieht man rechts in der Schneise noch immer die Ostpreußenhütte.
Und hier sehen die Wolken links aus wie riesige Wellen, die gerade brechen.
Über Felsen, gespickt mit ein bisschen Wiese, geht es immer höher zum Floßkogel. Auf dem letzten Bild kann ich auch schon das Matrashaus in der Ferne sehen. Auf dem linken hinteren Gipfel.
Ungefähr auf halbem Weg gibt es ein Notbiwak, eine Felshöhle in der man sich bei Sturm oder Gewitter verkriechen kann. Davor liegt noch ein großes Schneefeld, aber im Notfall kann schon man über den Schnee in die Höhle klettern. Ich habe allerdings weiter Glück mit dem Wetter.
Der Weg bis zur Hütte zieht sich. Zwischendurch kann man sie immer mal wieder sehen, da ganz hinten. Aber der Weg ist super! Wieder genau nach meinem Geschmack. Es geht immer wieder hoch und runter über die Felsbuckel. Einige Schneefelder muss ich noch queren, aber nichts allzu aufregendes. Hier noch ein paar Eindrücke vom Weg.
Zum Schluss kommen noch ein paar Leitern und dann ist er erreicht, der höchste Punkt auf meiner Tour. Der Hochkönig mit 2941 Meter Höhe. Direkt am Gipfel liegt das achteckige Matrashaus. Ich bin überglücklich, die meisten Höhenmeter bergauf sind geschafft für heute, das Wetter ist immer noch super, die Aussicht ist genial, mein Plan ist aufgegangen. Ich umarme das Gipfelkreuz und strahle.
Aus dem Fenster begrüßt Erich mich schon als ich ankomme. Er hilft den Sommer über hier aus. Ich bin gerade der einzige Gast hier oben. Bei dem Wetter wurden fast alle Übernachtungen storniert. Schade, da hätte ich doch hier schlafen können. Aber jetzt habe ich ja schon die nächsten Übernachtungen alle reserviert. Obwohl ich heute noch einen weiten Weg vor mir habe, mache ich hier länger Pause. Als ich in die Stube komme, telefoniert Roman, der Hüttenwirt, gerade mit Harald von der Ostpreußenhütte. Dieser hat mich schon angekündigt und wollte wissen, ob ich auch angekommen bin. Roman macht mir schnell noch was zu Essen, angebratene Knödel mit Spiegelei. Super lecker! Und dann lädt er mich auch noch ein, da das Gericht sowieso nicht in der Kasse ist. Hat er nur eben für mich gemacht. Ich wurde so super gut versorgt die letzten Tage – wahnsinn! Als ich Erich erzähle, wie viele liebe Menschen ich schon getroffen habe, meint er „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“. Vielleicht strahle ich das ja aus, wie glücklich ich hier oben in den Bergen und mit frischer Luft und draußen sein den ganzen Tag bin.
Wir sitzen noch eine ganze Weile zusammen und quatschen. Roman ist jetzt schon seit 23 Jahren hier oben und sucht immer Sachen, die er noch besser machen kann. Deswegen ist er ganz interessiert, was ich an den vielen Hütten, wo ich jetzt schon war, gut oder schlecht fand. Und was mir bei Hütten besonders wichtig ist.
Er ist auch der Meinung, dass es noch zu früh ist bei dem ganzen Schnee dieses Jahr den Weg über die Teufelslöcher zu gehen. Also war meine Entscheidung richtig, über die Mitterfeldalm abzusteigen. Nachdem ich gestärkt bin, mache ich mich dann auch wieder auf den Weg. Das Wetter kann schließlich immer noch schnell umschlagen, auch wenn es im Moment nicht danach aussieht.
Knapp 4,5 Stunden habe ich für den Aufstieg gebraucht. Romans Prognose ist, dass ich nochmal 3 Stunden runter bis zur Mitterfeldalm und 2,5 Stunden rüber zur Erichhütte brauche. Mal schauen, wann ich dann heute Abend am Ziel bin.
Als ich mich an den Abstieg mache, habe ich leider nicht mehr so eine gute Sicht. Die Wolken werden immer dichter und immer wenn ich durch eine Wolke durchgehe, die gerade über den Berg fegt, ist es ziemlich windig. Aber dafür komme ich noch an ein paar Gletscherresten und -seen vorbei. Schaut euch mal die Farbe an, so klare und eisblaue Seen.
Ich bin froh über die super Wegmarkierungen. Die Stäbe sieht man auch im Nebel gut.
Es geht noch über ein paar große Schneefelder und über Geröllhänge unterhalb der Torsäule. Bis es dann langsam wieder grüner wird. Erst kommen ein paar Grasbüschel dazu, dann immer mehr, und irgendwann Latschen. Immer dieselbe Reihenfolge.
Dann fängt es plötzlich an zu hageln. Aber als ich meine Regenjacke übergezogen habe, hat es schon wieder aufgehört. Ob das jetzt der Gewitter-Vorbote war? Weit dürfte es nicht mehr sein bis zur Mitterfeldalm. Da wäre ich dann zumindest geschützt. Sicherheitshalber gehe ich noch einen Schritt schneller. Und das war auch genau die richtige Entscheidung. Ein paar Minuten vor der Alm fängt es an zu donnern und der Hagel kommt wieder. Und wie – die Körner tun schon richtig weh auf den Schultern. Ich versuche meinen Kopf mit den Armen zu schützen und bin heilfroh, als ich um die Ecke komme und das Almhaus vor mir sehe. Gerade rechtzeitig schaffe ich es in die Stube. Und kann mir das Spektakel von drinnen anschauen. Ich habe noch nie so große Hagelkörner gesehen. Innerhalb von ein paar Minuten ist alles weiß. Dazu blitzt und donnert es. Ich setze mich also, trinke was und warte bis das Gewitter vorbeigezogen ist.
15 Minuten später ist der Himmel Richtung Westen schon wieder blau. Das passt, dann kann ich tatsächlich noch weitergehen. Der Wirt gibt mir noch den Tipp, dass vom Arthurhaus auch ein Wanderbus zur Erichhütte fährt. Er versteht aber nach kurzer Erklärung, dass ich nur laufen will. Ein Stück fahren kommt mir gar nicht in die Tüte! Als er der Meinung ist, dass es jetzt sicher sein sollte, mache ich mich wieder auf. Und zwar über eine dicke Hagelschicht. Als wäre plötzlich Winter.
Schon 10 Minuten weiter ist der Weg aber wieder frei. Hier hat es nur geregnet.
Im Arthurhaus hole ich mir noch schnell einen Stempel und rufe bei der Erichhütte an, dass ich später komme. Inzwischen ist es 17 Uhr und ich brauche noch 2 bis 3 Stunden. Zum Glück aber jetzt ohne große Höhenunterschiede. Also nehme ich meine Trekkingstöcke und mache noch ein bisschen Power-Walking. Schauen wir doch mal, wie schnell ich den Weg schaffe, nachdem ich jetzt schon über 8 Stunden gegangen bin. Der Marillenkuchen von der Ostpreußenhütte gibt mir auch nochmal Energie.
Es geht über einen breiten Schotterweg und matschige Kuhwiesen. Zwischendurch noch mit ein bisschen Slalomlaufen, wenn die Kühe es sich auf dem Weg bequem gemacht haben. Rechts von mir ragen die Felswände des Hochkönig-Massivs auf.
Inzwischen scheint die Sonne wieder, zwischendurch regnet es. Über dem Tal schillert ein Regenbogen. Gut, dass ich in die Richtung des blauen Himmels gehe.
Trotz des langen Tages heute, sind meine Füße und Beine noch richtig fit. Alles richtig gemacht. Das war ja mal perfektes Timing mit dem Wetter heute. Sonne am Gipfel, Gewitter als ich drinnen saß. Wie gut, dass ich mich für den Weg über den Hochkönig entschieden habe. Jetzt bin ich glücklich!
Um halb 8 bin ich am Ziel und der Hüttenwirt und seine Mutter sind ganz erstaunt. Sie haben erst in einer Stunde mit mir gerechnet. Als ich dann meine Schuhe ausziehe und mich hinsetze, merke ich dann doch meine Füße ein wenig. Was warmes zu Essen gibt es jetzt nicht mehr, aber zumindest noch ein Kasbrot. Da eine Gruppe Jodler wegen dem Wetter abgesagt hat, bin ich auch der einzige Gast heute Nacht.
Die ältere Dame setzt sich zu mir und fragt dreimal nach, bevor sie mir glaubt, welche Strecke ich heute gegangen bin. Wir unterhalten uns noch ein bisschen und dann falle ich ins Bett. Morgen steht auch nochmal eine lange Etappe an.