Ich liege in der Nacht immer wieder wach und frage mich, wieso ich meine Luftmatratze nicht aufgepustet habe. Aber da mir noch ein bisschen Schlaf fehlt, döse ich doch immer wieder ein. Ich freue mich allerdings, als es endlich hell wird draußen. Jetzt kann ich auch sehen, wo ich mich hier überhaupt befinde. Schon alleine der Sonnenaufgang über dem Meer, den ich durch den schmalen Einstieg in die Höhle beobachten kann, ist wunderschön.

Ich habe noch keine Lust auf Frühstück und auch nicht nochmal bei Marion und Janet vorbeizugehen für eine „cup of tea“. Wahrscheinlich gibt es sowieso nur schwarzen Tee, den ich nicht mag. Lieber einfach loslaufen!

Nach einem Blick auf die Karte, entscheide ich mich nach Tacorón zu gehen. Dort soll ein Geocache versteckt sein und laut Listing des Caches gibt es eine kleine Badebucht und eine Strandbar mit der besten Pizza der Insel. Ansonsten ist dort nicht viel, kein Ort. Und es gibt auch keinen Weg dahin, nur die Straße.

Ich gehe erstmal noch ein Stück nach La Restinga rein, um mein Wasser irgendwo aufzufüllen. Marion hatte mir gestern einen Tipp gegeben, wo ich einen öffentlichen Wasserhahn finde. Das Wasser schmeckt ziemlich salzig. Aber besser als nichts, die Läden hier haben alle noch zu.

Dann mache ich mich auf nach Tacorón. Das erste Stück gibt es noch einen Weg über das Lava-Feld. Als der Weg dann aber abknickt und hoch zur Straße führt, gehe ich einfach querfeldein weiter. Ich orientiere mich an den Höhenlinien auf meiner Karte und schaue, dass ich auf ca. 100 Metern Höhe bleibe.

Das Lava-Gestein ist faszinierend. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie die Lava hier herunter geflossen und erstarrt ist.

Ich klettere über Hügel, Fels- bzw. Lava-Spalten und andere zackige Gebilde. Links von mir der Blick auf das weite Meer. Es ist richtig windig, teilweise habe ich beim Klettern Mühe, mich mit meinem schweren Rucksack auf den Beinen zu halten. Bei einem heftigen Windstoß verliere ich dann auch kurz das Gleichgewicht und halte mich reflexartig an den Felsen neben mir fest. Das Lava-Gestein ist richtig scharfkantig. Aber schlimmeres als eine blutige Hand ist nicht passiert.

Es ist sehr warm und Schatten gibt es nirgendwo. Mittags mache ich eine Pause und koche Haferflocken mit Banane.

Die Landschaft hier ist einmalig. Ich bin ganz begeistert von den schiefen Bäumchen und „Blumen“, die aus den Felsen wachsen.

Irgendwann komme ich dann doch an der Straße raus. Und hier gibt es dann auch einen Fußweg und die ersten Wanderschilder.

Nach El Pinar sind es 6,2 Kilometer und runter nach Tacorón ist es auch ausgeschildert. Es geht steil hinab bis zum Meer, teils auf Wanderwegen, teils gehe ich die Serpentinen auf der Straße entlang. Unten angekommen finde ich einen Parkplatz, eine ganze Menge Autos und eine geschlossene Bar vor. Also doch keine Pizza. Ich frage mich, wo die ganzen Autos herkommen. Ich bin heute den ganzen Tag noch niemandem begegnet.

Direkt am Meer, halb in den Felsen, gibt es einen Unterstand mit Bänken und Tischen. Es ist ein lustiges Bild, ein Franzose hat sich hier scheinbar mit seiner Hängematte für die Nacht niedergelassen. Ich frage ihn – er hätte gestern schon hier geschlafen und bleibe auch noch eine Nacht. Es sei sehr schön hier. Okay – meinen Schlafplatz für heute habe ich schon mal gefunden! Er bietet mir auch gleich ein Stück Käse und einen Wein an. Typisch französisch…

Ich gehe eine Runde schwimmen und werde von Margo angesprochen, einem polnischen Mädchen. Sie leiht mir ihre Taucherbrille und Schnorchel und meint, hier wären ganz viele bunte Fische zu sehen. Tatsächlich, richtig schön. Ich hole meine neue GoPro und gehe nochmal mit der Brille ins Wasser, um ein paar Fotos zu machen. Dann liegen wir zusammen in der Sonne zum Trocknen. Ihr seht, dass man selten wirklich alleine ist, wenn man alleine reist.

Margo ist mit einer Gruppe mit ca. 15 Leuten hier. Sie haben ihr Camp ein Stückchen weiter hinter den Felsen aufgeschlagen. Sie sind auf El Hierro auf der Suche nach einem Ort, wo sie nächsten Monat ein Rainbow Gathering veranstalten können. Sie lädt mich für heute Abend ein, mit ihnen zusammen zu essen.

Langsam verschwinden die wenigen Ausflügler und ich suche mir einen Platz auf den Felsen, um den Sonnenuntergang anzuschauen.

Neben dem Franzosen baut noch ein Deutscher sein Zelt auf, um am Strand zu übernachten. Dann sind wir jetzt schon zu Dritt für diese Nacht. Frank fährt mit dem Fahrrad quer über die Insel. Er meint, es wäre sehr mutig von mir, alleine zu reisen.

Mein „Bett“ bereite ich heute unter dem Unterstand, auf einer der Bänke, die in den Fels gemeißelt sind. Über mir das Dach aus Palmwedeln. Durch die vielen Lücken sehe ich den funkelnden Sternenhimmel. Vor mir die Felsen und das Meer. Ziemlich traumhaft!


7,6 km
3:30 h
144 hm
358 hm
154 m