Das war nun die letzte Nacht hier unten an der warmen Küste. Ich frühstücke, packe zusammen und verscheuche noch die letzte Kakerlake aus meinem Rucksack. Ich habe mich mental schon auf den langen Aufstieg heute vorbereitet. Und es gibt ein extra großes Frühstück für viel Kraft. Dann geht es los. Ich fühle mich gut. Irgendwann gewöhnt man sich auch tatsächlich etwas an das Gewicht des Rucksacks.

Der Weg führt mich hoch zu der Kapelle auf dem Hügel, wo ich mich gestern schon umgeschaut habe. Von dort folge ich sehr, sehr steilen Straßen weiter hinauf. Immer in kleinen Schritten.

Dann beginnt der Wanderweg, Camino de Jimana. Die ersten 460 Höhenmeter habe ich schon. Es folgen noch einmal 900 Höhenmeter. Der Weg nach oben soll mich durch 3 Vegetationszonen führen. Wenn ich nach oben schaue, hängen dort wieder die dichten Wolken. Wie die ganzen letzten Tage schon. Das Ende des Berges habe ich bisher noch nicht einmal sehen können.

Der Wanderweg ist richtig schön. Er schlängelt sich geschickt den steilen Berg hinauf. Am Anfang ist es noch sehr trocken, aber grün.

Der Blick zurück wird immer besser. Bald kann ich die ganze Küste bis zum Westzipfel ganz hinten sehen, wo ich an dem schwarzen Strand übernachtet habe.

Bald darauf kommt es mir so vor, als würde ich durch den Regenwald gehen. Das ist dann wohl die nächste Vegetationszone. Die Felsen und Baumstämme sind von Moos überzogen und überall tropft es von den Blättern. Diese Landschaft erinnert mich an Neuseeland. Ich erschrecke mich richtig, als mir eine Wanderin entgegenkommt. Damit habe ich nicht gerechnet heute. Sie bleibt auch die einzige Begegnung.

Dann wird es immer felsiger. Und zum Glück habe ich schon Fotos von der Aussicht und dem Blick zurück gemacht, da mich die Wolken verschlucken. Für eine Weile sehe ich nicht mehr viel um mich herum. Ich kann den Weg zwar noch erkennen, sonst aber leider nur wenig und wie durch eine dicke Milchglasscheibe. Das ist schade, da der Ausblick phänomenal sein soll laut Wanderwegbeschreibung.

Hier wachsen zig „Blumen“ quasi direkt aus den Felsen. Die finde ich faszinierend. Das sieht super aus.

Dann habe ich es geschafft. Ich bin froh und stolz, den Aufstieg so gut gemeistert zu haben. Ich stehe an einem Aussichtspunkt, heute aber nur mit Aussicht in die weißen Wolken. Aber ich kann mein Wasser auffüllen.

Es ist nur tierisch kalt und richtig windig. Ich ziehe mir erstmal lange Sachen, Buff und Handschuhe über. Hier kann ich heute Nacht nicht draußen schlafen, da erfriere ich ja! Ich gehe den Weg ein bisschen weiter. Der Handy-Empfang reicht nicht, um im nächsten Ort nach einem Zimmer zu suchen. Auch die Anrufe an meine Eltern gehen nicht raus. Dann hätten sie eben für mich nach einer Schlafmöglichkeit in der Nähe schauen können. Manchmal reicht es ja zum Telefonieren, selbst wenn es zu wenig Empfang zum Surfen ist. Ich mache mir ganz schön einen Kopf über die Nacht. Aber ich kann gerade nichts machen, also gehe ich weiter in Richtung San Andrés.

Bei dieser Landschaft muss ich an Irland denken. Auch wenn ich noch nie dort war. Die kleinen Steinmauern, grünes Gras, Nebel, zwischen manchen Mauern Pferde.

Irgendwann wird der Empfang etwas besser und ich schaue nach einem Zimmer. Die einzige Möglichkeit, die ich finden kann, ist in El Mocanal. Das sind noch fast 8 Kilometer von hier. Ich buche es einfach. Alles besser, als hier draußen zu schlafen. 29 € bezahlt und los. Meine Füße und Schultern schmerzen, aber da kann ich jetzt keine Rücksicht drauf nehmen.

Die Landschaft ändert sich nochmal komplett und ich laufe über rötliche Erde mit leuchtend grünen Grasflecken. Die Pflanzen sehen jetzt alle kaktusartig aus.

Bis ich dann irgendwann wieder das Meer nördlich der Insel sehen kann. Ich muss grinsen. Hier gefällt es mir.

Nur noch ein Stückchen weiter bergab und dann habe ich es geschafft. Thomas, mein Gastgeber für heute Nacht, hat mir geschrieben und gefragt, ob er mich irgendwo mit dem Auto abholen soll. Dafür können ich beim Marmelade machen helfen. Ich möchte aber ungerne Auto fahren und den Rest jetzt lieber auch noch zu Fuß schaffen.

Meine Unterkunft ist ein alternatives Hostel auf einem winzigen Hof mit zwei kleinen Steinhäuschen. Es gibt zwei 4-Bett-Lager. Thomas ist Franzose und seine Frau aus Äquador. Ihr Baby heißt Elena und nach ihr ist auch das Haus benannt. Als ich hereinkomme, sitzen 5 Leute am Tisch und bereiten Kaktusfrüchte vor, um daraus Marmelade zu kochen. Ich lerne Paul, einen Engländer, und ein deutsch-französisches Pärchen kennen. Das Pärchen reist aber gleich ab. Später kommen Elaine und 3 Spanier dazu. Ich setze mich nach draußen und quatsche mit Paul. Er ist schon etwas älter, ist Maler und für 3 Monate hier. Elaine arbeitet hier gegen Kost und Logis. Abends gibt es Raclette, aber ich verabschiede mich schon ins Bett. Ich möchte noch die letzten beiden Tage aufholen mit Tagebuch schreiben und bin froh, wenn ich schlafen kann. Thomas meint noch, dass ich das Frühstück morgen früh dann umsonst bekomme, da ich anscheinend einen erhöhten Preis aufgrund des Marathons bezahlt habe. Auch gut, da freue ich mich doch.


15,8 km
5:45 h
937 hm
574 hm
1258 m