Heute ist Nationalfeiertag bzw. Verfassungstag. Und der wird ganz groß gefeiert. Häuser und Autos sind mit der norwegischen Flagge geschmückt und es gibt Paraden und Feste überall. Gefeiert wird die Verabschiedung des Grundgesetzes des Königreichs Norwegen am 17. Mai 1814. Mal sehen, wie viel ich davon heute mitbekomme. Dafür ist es vielleicht ganz praktisch, dass ich jetzt doch hier unten durchs Tal gehe und zwischendurch durch eine Ortschaft komme.

Als ich zusammengepackt habe, folge ich dem Weg weiter bis nach Birkeland. Und komme dort anscheinend gerade zur richtigen Zeit an. Aus allen Richtungen kommen Leute in Trachten auf einem Platz zusammen und versammeln sich dort. Viele mit Norwegen-Fahnen und Rasseln in der Hand. Schick, schick! Die Frauen tragen eine Art Dirndl und die Männer Knickerbocker mit Hemd oder einen Anzug mit großen roten Ansteckern. Ich schaue dem Treiben ein wenig zu. Trommler und Trompeten sehe ich auch, da wird es wohl gleich einen Umzug geben. Eine Frau, die auch etwas am Rand steht, spricht mich an und wir unterhalten uns ein bisschen. Der Umzug gehe bis zur Schule und dort gäbe es etwas zu Essen und Trinken und ein paar Spiele für die Kinder. Ich überlege kurz, ob ich mitgehe und da bestimmt auch eine Waffel oder so bekomme. Allerdings stehen jetzt noch ein paar Kilometer auf der Bundesstraße an und die ist wahrscheinlich das ganze Jahr nicht so leer wie jetzt. Jetzt feiern die Leute und sind nicht mit dem Auto unterwegs. Also schaue ich nur noch ein wenig zu und mache mich dann auf den Weg. In Skeie treffe ich ja wahrscheinlich dann auf das nächste Fest.

Die nächsten Kilometer sind nicht so spannend. Aber für eine Bundesstraße super zu gehen mit nur vereinzelt mal einem Auto.

Und nach den ersten 10 Kilometern finde ich einen schönen Pausenplatz. Hinter der Leitplanke eine kleine Böschung runter und schon stehe ich an meinem kleinen Privatstrand. Und nach Strandwetter fühlt es sich echt fast an. Es ist super warm. Für heute waren zwar nur Wolken angesagt, aber da hatte die Sonne wohl was gegen und gibt alles.

Hier stehen echt schöne Häuschen zwischendurch, so mitten im Nirgendwo. So ein begrüntes Dach möchte ich auch mal haben auf meiner eigenen Hütte, das finde ich super!

14 Uhr und 18 Kilometer später habe ich es dann geschafft. Ich bin in Skeie angekommen. Los ist hier aber nichts, es ist wie ausgestorben. Da steigt die Feier wohl in einem anderen Ort. Schade – hätte ich mal heute morgen ein paar Leute in Trachten gefragt, ob sie ein Foto mit mir machen.

Dafür finde ich einen geöffneten Supermarkt und gönne mir eine kalte Apfelschorle. Hier mache ich erstmal ein bisschen Pause.

Seitdem ich gestern nach Moi absteigen musste, gehe ich relativ planlos drauf los. Mein Ziel ist irgendwann die Nutevasshytta im Setesdal. Dort treffe ich auf die ersten Wanderwege des DNT und freue mich schon riesig auf die erste Hütte. Ich würde gerne über Ljosland, Gaukhei und Tjønndalen gehen, allerdings liegt ab 800 Meter Höhe doch noch zu viel Schnee, der zudem nass ist, also schlecht zu gehen. Ich hatte Martin nach einem Tipp gefragt, der 2013 und 2015 NPL gegangen ist und im Moment eine erneute Durchquerung plant. Da seine Anforderungen meinen sehr ähneln, haben wir uns ein bisschen ausgetauscht. Er hat direkt einen Freund beim DNT gefragt, aber in der Gegend wurden letzte Woche noch Skitouren gemacht. Zum Wandern müsste man wohl noch ein bisschen warten. Danke Dir, Martin, für die schnelle Hilfe!

Na gut, dann heißt es stattdessen doch noch ein bisschen Straße mehr und ein paar Schlenker, aber das ist okay. Am Anfang wollte ich noch möglichst viele Straßen im Süden vermeiden. Jetzt möchte ich lieber schnell das Wanderwegenetz erreichen und nicht so viel Zeit dabei verlieren, mich durchs Unterholz zu schlagen und mir zig Zecken einzufangen. Abenteuer und weglose Abschnitte werden noch genug kommen, da werde ich mir in einigen Wochen vielleicht eher nochmal ein Stück Straße wünschen.

Weiter geht es durch ein kleines Industriegebiet und dann steht da tatsächlich ein Wander-Wegweiser. Super, dem folge ich. Da kann ich über eine Traktorspur bis Verdal und zur nächsten Straße abkürzen.

Es geht steil hinauf und mir ist so heiß. Mein rechtes Ohr glüht. Da hat mich wohl irgendwas mehrfach gestochen oder gebissen. Und gerade jetzt in der prallen Sonne und bei der Anstrengung merke ich das ziemlich. Also wechsele ich zum „Cappie-Schirm-seitwärts-tragen-Look“, damit mein Ohr im Schatten ist.

Es ist echt einsam auf diesen Wegen, man hört die Straße nicht mehr und trifft auch niemanden. Hier hört man nur den Wind in den Bäumen, die Vögel zwitschern und zwischendurch einen Bach rauschen. Am höchsten Punkt angekommen, sehe ich vor und hinter mir nur noch mehr bewaldete Berge.

Ich komme an einer kleinen Holzhütte vorbei und die Fahrspur verliert sich in der sumpfigen Wiese dahinter. Also folge ich einfach dem kleinen Bachlauf. Allerdings wird es immer nasser und bei jedem Schritt schmatzt es unter mir. Als würde man auf einem nassen Schwamm laufen. Hoffentlich sinke ich nicht irgendwo noch tiefer ein.

Als ich dann doch mal auf mein Handy schaue, wo der eigentliche Weg ist, sehe ich dass ich etwas zu weit links gehe. Also klettere ich die Böschung hoch und finde den Weg direkt neben der Hochspannungsleitung wieder. Erstmal verschnaufen. Da muss ich wohl irgendwo hinter der Hütte was übersehen haben.

Jetzt könnte ich mir auch langsam mal ein Plätzchen für die Nacht suchen. Ich sehe zwar beim Weitergehen ein paar schöne Stellen, aber es ist überall so nass und sumpfig. Ich muss erst noch eine ganze Weile gehen bis ich einen richtig schönen Platz direkt am Bach finde. Zwar nur ein paar Meter vom Weg, aber ich glaube nicht, dass das hier jemanden stört. Wenn denn überhaupt bis morgen früh jemand vorbeikommen sollte, was ich nicht glaube. Hier kann ich mich dann auch endlich mal ein bisschen mehr Waschen. Quasi die erste „Dusche“ nach 4 Tagen.

So sieht das dann bei mir aus, wenn ich einen Schlafplatz gefunden habe. Erstmal auf der Unterlage Probeliegen, wo ich am besten das Zelt aufbaue. Unebenheiten oder ob es doch ein bisschen abschüssig ist, merkt man so am besten. Dann wird das Zelt aufgebaut und das Solarpanel in die Sonne gehängt. Ich bin bisher richtig begeistert davon. Meine Powerbank habe ich mit selbstklebendem Klettband auf der Rückseite befestigt, dass sie nicht irgendwo herumbaumelt.

Der Schlafsack wird nochmal gelüftet und die Luftmatratze aufgepumpt. Auch mein selbstgebastelter Pumpsack funktioniert super.

Dann wird gewaschen – Wäsche und mich – gekocht, gegessen, noch ein Blick in die Karte geworfen und geschrieben. Und ruck zuck ist es Schlafenszeit.


22,7 km
4:50 h
463 hm
220 hm
470 m